01.08.2012: WeltOnline
Fotokünstler will Griechenland mit "Notgeld" helfen
Thomas Kellner hat Spielgeld entworfen, das an Drachmen erinnert
Siegen (dapd-nrw). Thomas Kellner lässt ein Bündel grüner Scheine durch seine Finger gleiten. Griechische Buchstaben blitzen beim Durchblättern auf. Der Heilgott Apollon und der griechische Politiker Ioannis Kapodistrias (1776-1831) blicken dem Betrachter entgegen. Kellner hat die Helden der früheren Drachmen-Scheine vereint - auf seinem selbst entworfenen Notgeld, wie er es nennt. Der Fotokünstler aus Siegen will das gedruckte Spielgeld verkaufen und den Erlös unter anderem zwei Museen und einer Kollegin in Griechenland spenden: "Von Kultur für Kultur", erklärt er. Doch zunächst musste Kellner die Griechen von seinen guten Absichten überzeugen.
Kellner legt das Geldbündel auf einen der vier zusammengerückten Schränke in seinem Siegener Atelier. Rund 2.400 Stapel mit je zehn selbst gestalteten Scheinen reihen sich dort aneinander. "Das werden einmal 4.400", sagt der 46-Jährige und fügt hinzu: "Damit möglichst viele Menschen mitmachen, verkaufe ich das Bündel für zehn Euro." Wenn alles nach Plan laufe, erziele er so 44.000 Euro. "Jeweils 8.800 Euro bekommen die griechische Künstlerin Angeliki Douveri, das Museum für Fotografie Thessaloniki und das Museum für zeitgenössische Kunst auf Kreta'", erklärt der Künstler.
"Das Museum auf Kreta unterstütze ich gerne, weil die sich schon den Betrieb der Internetseite nicht mehr leisten können", sagt Kellner. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) solle einen Scheck bekommen - in Höhe von 4.400 Euro. "Diesen soll sie zur Tilgung der griechischen Schulden einzahlen", sagt der Mann mit dem Zopf, der sich einen "überzeugten Europäer" nennt. Schon in den 1970er Jahren sei er mit seinen Eltern im Auto ans Mittelmeer gefahren. "Es kann nicht sein, dass wir in 20 Jahren wieder Gastarbeiter aus Griechenland holen", betont er. Die Kosten für sein Projekt decke er mit 8.800 Euro des Erlöses, mit den übrigen Einnahmen bezahle er einen Druck seines Kunstwerks "Chaos".
In einem Zeichenbuch hat Kellner bereits ein Kleinformat dieses Kunstwerks angelegt. Auf dieser Collage reihen sich mehrere daumengroße Fotos wie ein Schachbrett aneinander und lassen den Betrachter über die Dächer Athens blicken. Die Häuser wirken wackelig, als seien sie aus mehreren Perspektiven gleichzeitig abgebildet. "Ich habe das Motiv beim Fotografieren so zu Detailbildern zerlegt, wie ich es nachher zusammensetze", erklärt Kellner. Athen habe auf ihn chaotisch gewirkt. Als er kürzlich nach einer Idee für die Ausstellungsreihe "Kunstchaos" des Kunstvereins Siegen suchte, habe er sich an die Griechenlandreise von 2004 erinnert. Das Hilfsprojekt war geboren.
Schon etwa ein Dutzend Euro-Scheine und etliche Münzen türmen sich in einer Plastiksäule in seinem Atelier. "Ich gehe davon aus, dass die ersten 1.000 Euro schon da sind", freut sich Kellner über die Erlöse. "Wir bringen seit Jahren Schwellenländern bei, wie sie ein horizontales Netzwerk aufbauen können. Warum sollte also Kultur nicht Kultur unterstützen?", gibt er zu bedenken. An Spenden von ihm hätten die beiden Museen zunächst nicht geglaubt. "Ich musste deshalb das Goethe-Institut Thessaloniki einschalten", erinnert sich Kellner. Das Institut für kulturelle Zusammenarbeit habe im Fall vermittelt.
Das Museum für Fotografie Thessaloniki bleibt skeptisch. "Wir haben länger nichts von Thomas Kellner gehört", sagt Mitarbeiterin Alexandra Athanasiadou auf dapd-Anfrage. Das Museum habe mit dem Siegener Künstler noch keine konkreten Vereinbarungen getroffen. "Wenn er wirklich spenden möchte, dann sind wir natürlich froh", beteuert sie. Das Kretische Museum für zeitgenössische Kunst freut sich dagegen bereits auf die in Aussicht gestellten Gelder. "Das macht uns sehr, sehr glücklich", sagt Mitarbeiterin Katharina Kouyioumoutzi. Wegen der Finanzkrise sei es derzeit schwierig, Ausstellungen zu finanzieren. "Vielleicht fließt das Geld in eine Schau, die mit Kellners Projekt zu tun hat", kündigt sie an.
Kellner hat sein Ziel fest vor Augen: Anfang Mai kommenden Jahres werde Kassensturz gemacht. "Ich gehe davon aus, dass ich einmal nach Thessaloniki und einmal nach Kreta fliege", kündigt er an. Auch der Bundeskanzlerin wolle er selber den Scheck in die Hand drücken, damit der Erlös aus seinem grünen Notgeld mit den Bildern griechischer Berühmtheiten auch sicher in Griechenland ankomme.
dapd