Atelier 2000-01: Wettbewerbe

Kellner, T., 2000. Bewerbungsgeschichten. Atelier. Die Zeitschrift für Künstler, 107 (1), pp. 32-33

BEWERBUNGSGESCHICHTEN

Die Teilnahme an Kunstwettbewerben und, Preisen und Ausstellungen ist fuer Kuenstlerinnen und Kuenstler eine gute Moeglichkeit, sich der OEffentlichkeit zu praesentieren, in Katalogen dokumentiert zu werden und hin und wieder auch einen Geldbetrag in Empfang nehmen zu koennen. Doch nicht immer gibt es nur ungetruebte Erfahrungen dabei.
Mit Regelmaeßigkeit sind die Ausschreibungen das Erste, was ich nicht nur in der "atelier" lese, sondern auch in den anderen einschlaegigen Kunst- und Fotozeitschriften. Nach fuenf Jahren ging fuer mich jetzt ein Prozess in Portugal zu Ende, welchen ich gerne zum Anlass nehme, ein paar Bewerbungen Revue passieren zu lassen.
Damals in Portugal gehoerte ich zu den wenigen Auserwaehlten weltweit, deren Arbeiten in abendfuellender Breite praesentiert wurden. Ich war stolz wie Oskar, leider musste ich bei der Ruecksendung meiner dreißig Fotografien vor fuenf Jahren feststellen, dass nichts mehr in Ordnung war. Mal abgesehen von den Kanten, die ohne meine schuetzende Verpackung via Normalpost total ramponiert waren, gab es diverse Schaeden zu beklagen. Auf allen SW-Barytabzuegen war zur Registrierung hinten ein handtellergroßer, nicht saeurefreier Aufkleber aufgebracht worden -Exitus! Außerdem waren die Bilder als Schreibunterlage benutzt worden. Nach dem Entfernen der Aufkleber fuer die Praesentation hatte man wenigstens einen kleinen Berg Silber an der Vorderseite stehen lassen, und fuer irgendeinen Zweck waren die Bilder gelocht worden.
Diese Beschreibung zeigt, warum Fotografien von kuenstlerisch hohem Niveau und von hervorragender Qualitaet gefordert waren. Naemlich, damit die Mitarbeiter eines Jugendtreffs in Loule, Portugal, sich in der Handhabe von Fotokunst ueben sollten.
Gerichtsverfahren sind bekanntermaßen in suedlichen Gefilden etwas langwierig, doch nach viereinhalb Jahren gab es tatsaechlich neben den ueblichen Sommerpausen einen Gerichtstermin, dann einen weiteren und noch einen. Das Ergebnis war ruehrend: ,,Dem Fotografen ist kein Schaden entstanden, da er die Negative noch hat." - Meine Arbeiten gehoerten zu einer Schaffensphase, in der ich dummer Weise nur Unikate herstellte. Ach ja, ein neuer Abzug kostet in Portugal eine Mark, viel hoeher koennen die Preise in Deutschland doch nicht sein. So weit zum Thema Portugal.

Paket nach Tokio
Neunzehnhundert-ichweißnicht-mehr, gab es in der Zeitschrift ,,Photonews" eine Ausschreibung ueber einen Wettbewerb des Metropolitan Museum in Tokio. Klasse hoerte sich das an, und ich forderte wie immer rechtzeitig die Ausschreibungsunterlagen per Luftpost an. Die Wochen verstrichen und der Einsendetermin rueckte naeher. Es kam keine Antwort, und ich entschied mich, trotzdem meine Bilder einzusenden; dieses Mal aber Arbeiten aus einer Zehner-Auflage!
Ein Paket nach Tokio kostete damals 120 Mark. Der Multiverdiener dieser Aktionen scheint ohnehin die Post zu sein und manchmal vermute ich, dass die Betreiber solcher Wettbewerbe eine Provision auf die Gesamteinsendungen erhalten. Waere zumindest clever.
Mein Paket war gut eine Woche unterwegs, da kam meine Postkarte zurueck mit dem netten Stempel ,,Adressat unbekannt verzogen". Na ja, zwanzig Bilder verteilt an irgendwelche Postbeamten in der Welt. Jeden Tag eine gute Tat!
Ich vergaß also meine Bilder, bis nach Monaten ein Brief vom Metropolitan Museum in Tokio im Briefkasten lag. Ich hatte sinnigerweise meiner Einsendung ein Schreiben beigefuegt, dass es sich um Kunst handele und diese unter keinen Umstaenden beschaedigt oder zerstoert werden duerfte. Die netten Herren aus Tokio schrieben mir, dass ich an dem Wettbewerb leider nicht hatte teilnehmen koennen, da meine Fotografien, wie ich den Teilnahmeunterlagen vorher schon hatte entnehmen koennen, zu groß waren. Da ich jedoch die Ruecksendung meiner Bilder gefordert hatte, welches eigentlich ausgeschlossen war, fragten besagte Herren an, ob ich mit der Ruecksendung per Nachnahme einverstanden sei. - Na klar! Aber bitte auf dem aller kostenguenstigsten Weg! Man koennte jetzt vermuten, was kommt. Ups - genau: United Parcel Service. Einer dieser netten jungen, braun gekleideten Maenner stand eines Morgens um
halb Neun (mitten in der Nacht) vor meiner Tuer und fragte, ob ich ein Paket aus Tokio entgegen nehmen wolle. Natuerlich. Er hielt mir schon ein Digibord entgegen und meinte:
,,Dann hatte ich gerne achthundertsiebenundfuenfzig Mark und sechzig." - Jetzt war ich wach! ,,Kommt ueberhaupt nicht in Frage!".
Das gab ein richtiges Theater mit bitterboesen Briefen aus Tokio, ich solle nie wieder etwas nach Tokio schicken und schon gar nicht persoenlich erscheinen, und einer schier endlosen Telefoniererei mit dem Hauptgeschaeftssitz von ,,Ups" in Neuss.
 Am Ende bezahlte ich. Zwar nur zweihundert Mark, der Rest wurde nach Tokio zurueckbelastet, aber eigentlich war dies schon der Punkt, an dem ich nur noch anserioesen Wettbewerben teilnehmen wollte.

Geknickte Fotos
Aber auch bei den ,,besseren" Wettbewerben muss ich in letzter Zeit feststellen, dass extrem nachlaessig mit den eingesandten Unterlagen und geforderten Originalabzuegen umgegangen wird.
Beim Preis einer deutschen Architekturzeitung wurde meine handgefertigte, im Siebdruck beschriftete Schatulle als Postverpackung benutzt, und bei einem Preis fuer jungen Bildjournalismus wurden meine Bilder nicht in meiner Verpackung, sondern wieder nur in einem nicht verstaerktem Briefumschlag zurueckgesandt. Zehn Abzuege wunderbar verknickt.
Als ob man nichts Besseres zu tun haette, als fuer Wettbewerbe zu arbeiten.
Aber noch einmal zurueck zum Anfang, zu Ups. Neben diesem Express dienst bietet auch die Deutsche Post AG mittlerweile einen Postexpress an, zu dessen Opfern ich mich zaehlen darf. Nach einer Teilnahme an einer Stipendienausschreibung in Bonn sollten mir die Unterlagen (ein ziemlich großes Originalbild) sofort zurueckgesandt werden. Die netten Damen in Bonn gaben sich wirklich alle Muhe und fuhren noch abends durch den Berufsverkehr, kassierten fuer das Parken ein Billet und verschickten meine zwei Pakete fuer 80 Mark mit dem Postexpress. Vereinbart wurde die Ablieferung andern tags bis 12 Uhr.
Irgendwann nachmittags trudelte eines der Pakete ein. Das zweite, und natuerlich wichtigere, welches ich an diesem Tage wieder weitersenden wollte, km nicht. Damit war meine letzte Moeglichkeit zur Teilnahme an einem Hamburger Preis abgefahren.
Wieder ging das Telefonieren los, und die verschiedenen Damen und Herren der Servicegesellschaft konnten mir bestaetigen, dass mein Paket in Bonn angenommen worden war, aber die Codenummer, also mein Paket, auf keiner weiteren Station gesichtet wurde. Die Sendung wurde entweder noch in Bonn stehen, oder waere weg.
Weg war sie dann nicht, aber sie tauchte mit vier Wochen Verspaetung wieder auf. Fuer eine verpasste Chance gibt es leider keinen Schadenersatz.

Mehrzahl OK
Neben den beschriebenen Wettbewerbsunfaellen muss ich doch einwenden, dass dies nur zehn bis zwanzig Prozent der Bewerbungen betrifft. Meistens geht alles gut, man arbeitet seine Fotos aus, reflektiert, und traegt zum Bruttosozialprodukt bei. Erfolge stellen sich dabei ebenfalls ein. Man kommt in die eine oder andere wichtige Ausstellung oder erhaelt einen Preis. Allerdings sei an die Adresse der Ausrichter gesagt, dass es auch Wettbewerbe gibt, die zunaechst mit Kleinbild-Dias arbeiten und zumindest Auskunft darueber erteilen, wie viele Jury-Runden es jeweils gab und wie weit man dabei war. Mehr waere als Rueckmeldung wuenschenswert, aber selten machbar.
Mitmachen werde ich weiterhin, vielleicht gezielter und fuer Nachher rechtlich besser abgesichert und geschuetzt.