Die Brücke.
Wann auch immer ich den Titel „Die Brücke“ zu hören bekomme, werde ich an den damals von mir als grausam empfundenen Spielfilm von Bernhard Wicki aus dem Jahre 1959 erinnert. In dem Film wirdeine Gruppe von sieben Jugendlichen gen Kriegsende im April 1945 dazu beauftragt, eine unwichtig erscheinende Brücke gegen amerikanische Soldaten zu verteidigen. Die Jungen freuen sich über die Gelegenheit, ihrem Vaterland dienen zu können und nehmen ihre Aufgabe sehr ernst. So verharren sie aufgeregt auf der Brücke. Innerhalb eines Tages sterben sechs der sieben Jugendlichen einen grausamen Tod.
Bratislava fängt nur zufällig mit dem gleichen Buchstaben an und hat auch nur zufällig ein sehr auffallendes Brückenbauwerk, welches mich schon vor 8 Jahren faszinierte, als ich das erste Mal über Bratislava und das Central European House of Photography berichtete. Macek Vaclav hat sich selbst mit dem Haus der Fotografie in Bratislava und dem Mesiac Fotografie ein Denkmal gesetzt. Einer der Spielorte des Monats der Fotografie zu sein, ist eine der Konsequenzen. Insgesamt 25 Ausstellungen zeigten vornehmlich dokumentarische Ansätze. Schade eigentlich, da die Geschichte der osteuropäischen Fotografie anders an die Zeit der Bauhausfotografie anknüpfte als der Rest Europas. Tschechien ist da sicherlich führend.
Nun ist dies Festival 24 Jahre alt und nächstes Jahr wird man wahrscheinlich das 25-jährige Bestehen wieder mit herausragenden slowakischen Positionen feiern. Historisch mag dieser Identifikationsprozess nach der Spaltung der Tschechoslowakei notwendig sein, innerhalb eines Europäischen Monats der Fotografie vermisste ich aber insbesondere diese Position der Spaltung, so wie alle zeitgenössischen politischen Auseinandersetzungen, vor allem junger Künstler. Oft fordere ich von den Festivals ein eigenes Profil, doch nach 24 Jahren immer noch den Focus auf die eigene nationale Fotografie in dieser Breite zu legen, scheint mir etwas zu übertrieben in der Bedeutung für einen Europäischen Kontext. Ohnehin hatte man als Teilnehmer des Portfoliomeetings keine Chance die Ausstellungen zu sehen, noch ist es von den Veranstaltern intendiert gewesen den Gästen, Reviewern und Fotografen diese Ausstellungen alle zugängig zu machen. Wenn man es dennoch schaffte, neben dem Programm eine Ausstellung zu sehen, so war dies leider ein Hecheln und Ablesen von nur teilweise zweisprachigen Eröffnungsreden, dreisprachig wurde aus Zeitmangel unterbunden. Leider waren die Ausstellungen auch nicht länger geöffnet, und zum Portfolioweekend 2014 gab es dann auch keine lange Nacht, in der man hätte alle Ausstellungen sehen können. In der Regel musste man zwischen Ende Portfolio gegen 16 Uhr, bis 18 Uhr auf seinen Weg machen und stand dann leider doch vor verschlossenen Türen. Trotzdem, so viele respektable Ausstellungsmöglichkeiten und ordentliche Präsentationen wie in Bratislava habe ich selten bei kleineren Festivals gesehen. Man merkt deutlich, dass man hier über den Status temporärer Installationen hinausgekommen ist und die Präsentationen einen respektvollen Umgang mit den materialisierten Prints der Autoren zeigen. Will heißen: Man sollte sich 2 Tage extra Zeit für die Ausstellungen nehmen, diese in Ruhe ohne Eröffnungstheater genießen und abends mit Freunden in der schönen Altstadt ausgehen.
Viel Spannender hingegen war das OFF-Festival, das zum fünften Mal von einem Team ehrenamtlicher Kuratoren, darunter Zuzana Lapitkova, die 5 Jahre am CEP gearbeitet hat, geführt wird. Die Stadt stellte den Machern schon im vierten Jahr einen leerstehenden Palazzo zur Verfügung, der zur Präsentation junger Positionen den Raum und wunderbaren Kontrast bildete.
Manifesto
Idee, Aufbruch und Veränderung sind die zentralen Thesen dieser jungen Generation. Das OFF zeigte 22 Ausstellungen aus 17 Ländern.
Direkt im ersten Raum fand man eine wunderbar einfühlsame Arbeit der jungen Autorin Laura Ramo. Mit kleinen Souvenir und Portraiträhmchen in denen sie Gegenstände und Beschreibungen von Gegenständen wie Devotionalien subjektiv installierte und einen Altar der Erinnerung kreierte, erinnerte sie an den Bruder der sich das Leben genommen hat.
Tiago Casanova: Is it a revolution or just the weather
Drei Schritte weiter prangt an der Wand links und rechts die Frage: „Is it a revolution or just the weather“ von Tiago Casanova und man kann sich das Lächeln trotz dieser Katastrophenbilder nicht verkneifen.
Viele Schulen zeigen in Gruppenausstellungen und auch in Einzelausstellungen junge Positionen. Einer der Räume gilt der mittlerweile schon berühmten Schule von Opava, die mit insgesamt ca. 50 Lehrenden, darunter Vladimir Birgus und den Kuratorinnen der Ausstellung St?pánka Stein, Bára Alex Kašparová zu den innovativsten Schulen Europas gehört. Was an dieser Schule kreatives geleistet wird ist nicht das papageienhafte erfüllter Studienaufgaben anderer Studiengänge, sondern scheinbar die sensible Führung der Lehrenden in ein individuell kreativ sinnliches Arbeiten. Die einfühlsamen Portraits durch Tablets und Laptops beleuchteter junger Menschen von Jonas Mlejnek und Kollagen von Dusan Kochol gen sind nur zwei der Beispiele dieser Schule.
Maciej Sperski zeigte „Simulator“, die Dokumentation einer Performance mit einem selbstgeschmiedeten Handschuh-Schulter-Gerüst, welches Cyberbrille und Cyberhandschuh persifliert.
Benedek Regos ließ sich von Heinrich Bölls „Der Wegwerfer“ inspirieren. Als digital native fällt ihm die anwachsende Masse von Bildern auf seinen Speicherplatten auf, deren Masse allein die Sicht auf das Sinnvolle verstellt. Somit lädt er die Besucher ein mit zu entscheiden, welche der zufällig von seiner Festplatte ausgewählten und gedruckten Bilder, aufbewahrt und ausgestellt werden sollen, oder durch den Schredder wandern.
Man musste schon einige Treppenstufen im Nachbargebäude erklimmen um die ironischen Arbeiten von Sergey Melnitchenko (Ukraine) entdecken zu können, in denen er in Nacktposen berühmte Schauspieler imitiert.
Wer sich dann noch auf den Speicher wagte wurde von der beeindruckenden Installation „Meaning in Motion“ von Pablo Gimenez belohnt. Eine Videoinstallation dokumentierte seine Projektionen von Wörtern wie „Memory“ (Erinnerung) auf vorbeifahrende Züge.
Eine der für mich besten Arbeiten (REG 2014) seit vielen Jahren kam von David Blackmore. In dieser Arbeit zeigt er alltägliche Britische Nummernschilder, die das Britische Straßenverkehrsamt wegen ihrer Nähe oder Zweideutigkeit mit unerwünschten Institutionen und Ereignissen, aus der Öffentlichkeit verbannt hat. Die Leerstellen struktureller Gewalt qua Ordnungsmacht, erklärt David Blackmore zu Kunstwerken, und so die Behörde zu Künstlern.
Der meetingplace ist vielen bekannt als Portfolioschau und ich kann den in Bratislava empfehlen, weil er klein und eine wirklich günstige Kopie des Originals in Houston ist. Hier kann man sich als junger Fotograf probieren und auch ein gesundes Feedback zu seiner Präsentation bekommen und sich mit Kollegen austauschen.
Fazit: Um Macek ist eine Institution erwachsen, die es wert ist im Netzwerk und im Auge zu behalten. Wenn man aber In Bratislava Schritt halten möchte reicht der Status der TwinCity, die vom Stadtmarketing beschworen wird, nicht um mit Wien konkurrieren, noch gegen den Charme von Budapest als Stadt anstinken zu können. Den Machern muss heute wesentlich mehr einfallen, warum die Menschen morgen wieder kommen sollen. Es reicht nicht, ein Programm zu machen und es herunter zu beten. Es sind Menschen und Kollegen die als Gäste in der Stadt sind, die zum eigenen Netzwerk gehören und die es verdienen als Gäste oder Kunden behandelt zu werden.
Der Film „Die Brücke“ endet als Drama und hinterlässt einen bitteren Beigeschmack, den man über viele Jahre nicht mehr loswird. Die futuristisch-modernistische Brücke der Architekten Jozef Lacko, Arpád Tesár, Ladislav Kusnir, und Ivan Slamen mit ihrer Aussichtsplattform weißt heute immer noch als stählernes Mahnmal auf ein Versprechen besserer Zeiten in der Zukunft. Etwas in die Tage gekommen, wird es neuer Bauwerke und Akteure brauchen, um eine zeitgenössische Diskussion und nicht eine konservativ konservatorische Diskussion zu führen. Das OFF Festival in Bratislava ist genau aus diesem Bedürfnis entstanden und hat das In-Festival bereits überholt. Den Machern Dusan, Zuzana und dem ganzen Team wünsche ich mehr Partner, mehr Sponsoren und den gleichen Mut wie den Off-Festivals in Arles oder Paris, für die junge Fotografie zu stehen und eine zeitgenössische Struktur zu finden, die am Puls der Zeit ist und bleibt. Eine junge Generation baut neue Brücken und weiß anders Distanzen zu überbrücken. Augen auf! Das OFF in Bratislava muss man gesehen haben!
Monat der Fotografie in Bratislava
www.mesiacfotografie.sk
OFF Festival Bratislava
www.offfestival.sk