Festivals: in Photonews, hamburg 2005-11
Liebe Anna, lieber Denis,
vielen Dank für Euren kritischen Artikel in der Ausgabe 2005-09
Zunächst sollte man nicht vergessen, dass Festivals wie in Arles oder in Houston zu den Wegbereitern und Begründern des heutigen Booms bzw. Marktes für Fotografie gehören. Ohne das Engagement der Initiatoren wie u.a. Lucien Clerque in Arles oder Wendy Watriss, Fred Baldwin in Houston würde es wahrscheinlich weder eine solche Vielzahl von Galerien, Museen, Magazinen noch Festivals geben. Die Festivals haben insbesondere zu einem internationalen Austausch geführt und vielen zu Ihrem heutigen Broterwerb. Es gibt in der Bildenden Kunst wohl kein Medium dass eine solche Vielzahl von Institutionen hervorgebracht hat, wie die Fotografie. Es ist aber wahrscheinlich richtig, dass uns in Deutschland immer noch wichtige Museen für Fotografie oder zumindest international bedeutende Abteilungen und Sammlungen für Fotografie an den vorahndenen deutschen Museen fehlen. Insofern machen die Festivals an der richtigen Stelle Druck. Wahrscheinlich hat es bei den Festivals am ehesten Visa pour l'image in Perpignan geschafft sich durch ein eindeutiges Profil für journalistische Fotografie international zu etablieren, so wie ParisPhoto sich als eine der wichtigsten Galerien-Messen für Fotografie in Europa etabliert hat. In Deutschland bleibt international gesehen die photokina als Weltmesse für die technischen Neuheiten das Aushängeschild. Die kulturelle Landschaft oder die Bedeutung von Kultur in den Regionen und auch für Unternehmen hat sich deutlich verändert. Auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten scheint der Bedarf an Projekten zur Profilierung und zum Marketing für eine Stadt oder ein Unternehmen nicht nach zu lassen. Fotografie scheint da gerade hipp zu sein. Das alleine kann aber nicht reichen. Leider ist eine sehr asiatische Mentalität bei den heutigen Initiatoren und Veranstaltern zu beobachten, die nicht ein neues Festival oder einen neuen meetingplace etablieren, sondern leider nur kopieren. Zum Beispiel finden wir heute jene meetingplaces, die in Houston erfunden wurden, bei fast allen Festivals. Und da es außer vielleicht am deutlichsten in Perpignan kaum ein Festival oder meetingplace schafft ein deutliches Profil heraus zu arbeiten, findet man dieselben reviewer, Fotografen und zum Teil auch Ausstellungen auf fast allen Festivals der Welt. Natürlich ist es schön, Anlässe zu haben, Kollegen weltweit zu treffen, Freundschaften zu pflegen und auf der Seite der reviewer das auch meist kostenlos genießen zu dürfen. Es wäre aber wirklich wünschenswert, wenn Festivals sich mehr als kuratorische Plattform verstehen würden, wie es in Houston, Arles, Groningen und Madrid geschieht. Dort wird hart an Themen gearbeitet und werden zum Teil immer noch fundamentale Erkenntnisse gewonnen. Ich erinnere mich da gerne an die Ergebnisse von "Water" bei FotoFest Houston oder "Nazar" beim Noorderlicht-Festival in Groningen. Meist sind die meetingplaces nur ein Anhängsel bei vielen der Festivals. Vielleicht nur in Houston gewinnt der meetingplace in seiner Größe und Qualität auf beiden Seiten der Tische an gleich bleibender Bedeutung zu anderen Programmpunkten und Aktivitäten. In Birmingham ist das jährlich Portfoliomeeting zu einem Hauptevent geworden, und damit vielleicht schon zum wichtigsten und größten meetingplace in Europa. In Madrid ist die Portfoliosichtung zwar juriert, aber bleibt nur eine kleinste Kopie der großen Geschwister und wird als solches dem sonstigen Anspruch des Festivals nicht gerecht. In der wachsenden Konkurrenz der Festivals untereinander buhlen Festivals und meetingplaces auf der ganzen Welt um die Fotografen, die die Gebühren zahlen, auch um die reviewer, die sich die Zeit nehmen sollen, und nicht zu letzt auch um die Gunst der Medien und Besucher werbend, die positiv berichten mögen. Zwei sehr ähnliche Veranstaltungen in Berlin mit nur weinigen Wochen Abstand führen nur dazu, dass der potentielle Reisende zögert und doch zu keiner der Veranstaltungen anreist. Die Veranstalter wären gut beraten, über so manchen Schatten zu springen und die Aktivitäten zu bündeln, damit nicht eine ähnliche Situation wie in Köln entsteht. Dort gibt es zwar den Anlass photokina, die wahrscheinlich meisten Galerien für Fotografie in einer Stadt in Deutschland, Museen, Vereine etc, aber die "photoszene"; schafft es trotz hunderter Ausstellungen und Veranstaltungen nicht, sich zu einem ordentlichen international wichtigen Festival zu etablieren. Ein sehr viel klareres Profil der einzelnen Festivals würde ich mir wünschen, genauso wie eine konzeptionellere Strenge, die durch alle Programmpunkte und Aktivitäten gehen könnte, auch die meetingplaces. Genau dann würden nämlich all die verschiedenen Adressaten etwas gewinnen. Das inhaltlich interessierte Fachpublikum käme dann vielleicht auch aus größerer Entfernung für Ausstellungen, Vorträge und Symposien angereist, die Fotografen würden spezifischer präsentieren können, die reviewer bekämen mehr zu sehen was sie wirklich suchen und eine Identifizierung der Region, der Sponsoren und Besucher mit dem Festival könnte auch langfristiger Früchte tragen.
Thomas Kellner, DGPh