Thomas Kellner: hope, photographers:network in Profifoto No. 6 2011
photographers:network
selection 2011
„hope“
Anfang 2011 habe ich wieder Kollegen und Freunde weltweit eingeladen, die ich im Laufe der letzten Jahre kennen gelernt habe, an diesem Projekt teilzunehmen. Es sind allesamt meist junge Kollegen, die ich bei Festivals, auf den Kunstmessen und in meinen Galerien oder bei Ausstellungen kennen gelernt habe. Mit manchem von ihnen verbinden sich bereits auch schon jahrelange Freundschaften. 2011 haben sich knapp 60 Fotografen aus 17 Ländern beworben, darunter aus: Argentinien, Belgien, Brasilien, Kanada, China, Tschechien, Deutschland, Dänemark, Spanien, Frankreich, Großbritannien, Japan, Mexiko, die Niederlanden, Polen, die Schweiz und die USA.
Ziel des Projektes ist es ein Netzwerk unter Kollegen aufzubauen und sich gegenseitig zu fördern. Eine sachkompetente Jury aus zwei Journalisten (Thomas Gerwers, PROFIFOTO und Manfred Zollner, fotomagazin), einer Galeristin (Helga Oberkalkofen Art Galerie Siegen) und einem Kurator (Christoph Tannert, Künstlerhaus Bethanien, Berlin) haben gemeinsam mit mir die 18 auszustellenden Arbeiten ausgewählt, einen Portfoliopreis vergeben und eine Einzelausstellung nominiert.
Die Ausstellung zeigt kein bestimmtes Thema, auch wenn sich Überschneidungen mit meinen eigenen Interessen oder denen der anderen untereinander ergeben. Die ausgestellten Arbeiten zeigen die Vielfalt fotografischer Ansätze, die zeitgleich mit meinen eigenen Arbeiten entstehen. Bereits 2009 erweiterte ich den Kreis der Fotografen deutlich und führte eine Teilnehmergebühr von 10 Euro ein, um auch in wirtschaftlich schwierigeren Zeiten dieses Projekt aufrecht erhalten zu können. Auch in diesem Jahr wird die Auswahl begrenzt auf nur noch 18 FotografInnen. Für das kommende Jahr ist jetzt bereits Licht am Ende des Tunnels, so dass wieder mehr Kollegen in die Endauswahl kommen können. Die meisten Kollegen traf ich im vergangen Jahren bei der Portfoliosichtung in Houston. Die 18 ausgewählten Fotografinnen stammen aus 9 verschiedenen Ländern aus Nord- und Südamerika, so wie Europa. 11 der 18 Fotografen lernte ich bei Portfoliosichtungen in Houston kennen, aber auch bei ähnlichen Veranstaltungen wie rhubarb-rhubarb in Birmingham, FotoBild Berlin und den Fototagen in Mannheim oder der Messe photo LA in Los Angeles. 3 Kontakte gehen sogar auf meine eigene Studienzeit zurück.
In jedem Jahr kommen durch die unabhängige Auswahl von verschiedenen Juroren aus unterschiedlichen Verwertungszusammenhängen der Fotografie unerwartete Gruppenausstellungen zustande. Der Journalist hat einen anderen Blickwinkel, als der Galerist, oder der Kunsthistoriker, oder ich als freischaffender Künstler. Die Auswahl ist mehr oder minder zufällig, da auch die Fotografen von mir nicht gebeten werden etwas bestimmtes einzureichen. Von Beginn des Projektes an, ergab sich bei der Betrachtung der ausgewählten Bilder ein zentraler Begriff, eine fast magische sehr schnelle Assoziation: Sekundenschnell festigt sich ein Gesamteindruck. Dieser wird natürlich bestimmt von meiner individuellen Rezeption der Bilder, ist abhängig von meinen eigenen Emotionen und dem Zeitgeist der uns umgibt. Sehr schnell bildet dieser erste visuell emotionale Eindruck Wörter, Begriffe, Zusammenhänge, auch manches, das sich schwerlich in Worte fassen lässt. Und trotzdem steht am Ende dieser Betrachtung meist nur ein Wort. „hope“.
Seit Beginn der Immobilienkrise Ende 2007, dem Katastrophenjahr 2009, einem hoffnungsvollen Aufschwung 2010 scheint die Situation 2011 von einer Stagnation, einem Verharren getroffen zu sein, die durch die fürchterliche Katastrophe in Japan ausgelöst wurde. Lange hielten uns die Japanischen Betreiber und die Japanische Regierung hin mit der Hoffnung, dass es nicht zum Ernstfall kommen würde. Doch dieser war längst geschehen. Nur der Mut fehlte uns hinzuschauen.
Brigitte (von Monika Merva, Portfoliopreis) hockt vor einem Berg Zigarettenschachteln. Hat sie schon aufgehört oder will sie es noch tun? Um mich herum hört jeder auf zu rauchen und auch meine Lebensgefährtin hatte 10 Jahre lang die Hoffnung nicht aufgegeben. Wer einmal geraucht hat, weiß wie lang der Weg zwischen Entschluss, Hoffnung und Umsetzung ist. Freischwimmer heißt der Titel für das auf dem Sprungbrett sitzende Mädchen von Jutta Schmidt. Wenn ich mich recht an meine eigenen Abzeichen erinnere, war der Sprung vom Brett, der Abschluss der Prüfung. Von unten sieht der Sprungturm immer harmlos aus, aber ist man einmal die Treppen hinaufgeklommen, verdoppelt sich scheinbar die Höhe und zu der Hoffnung auf den Freischwimmer gesellt sich plötzlich eine Beklemmung. Hoffnung verbindet sich entweder mit Freude oder Sorge, vielleicht Angst.
Oft gesellt sich Hoffnung zur Einsamkeit. Donna Wan beobachtet Menschen, meist Einzelgänger, die sich in der Landschaft verlieren, sich auf einen einsamen Weg begeben an dessen Ende das Ziel der Hoffnung liegt, wie auch der Windhund im Bild von Ferit Kuyas (Einzelausstellung Art Galerie Siegen) sich auf den Weg macht. Betroffen hoffnungsvoll schaut uns der im Wasser treibende von Marie Docher an, hoffentlich sehnsuchtsvoll ist der Blick des tätowierten Mädchens aus Barcelona von Max de Esteban zu interpretieren.
Gleich vier Positionen wagen den hoffnungsvollen Blick zurück in die Vergangenheit. Inger Lise Rasmussen wagt den photohistorischen Blick zurück auf eine Zeit der Pioniere und Entdecker. Hinter der Seite eines Buches verbirgt sich bei Odette England der psychoanalytische Ansatz des Forschens der meist geprägt ist von der Hoffnung auf Heilung. Der verschwommene Blick in den Spiegel bei Eva Zebrowski verschmelzt leicht mit dem subjektiv abstrakten Vorstellungen einer Hoffnung. Lorena Guillen Vaschetti greift auch photographisch technisch auf das Erbe Ihres Vaters zu. Sie interpretiert die geerbten Dias und so den Blick ihres Vaters auf Ihre Mutter neu, die hier scheinbar hoffnungsvoll wartend aus dem Fenster schaut.
Tatyana Bessmertnaya, wagt ebenfalls den Blick zurück, zurück zu einer klassischen Form des Stilllebens. Ein Krug mit geknackten Nüssen und einigen Pistazien, lässt den Geruch der alten Teppiche und Stoffe verschmelzen mit dem Geschmack der frischen oder der getrockneten Nüsse?
Hurry Slowly – Beile Dich langsam heißt es bei Luis Delgado in seinem Bild aus China. Wie ein Negativstreifen reihen sich die Menschen in dem Gang eines Parks hintereinander. Menschen auf dem Weg zum Park, oder auf dem Weg nach Hause, nach einem Tag der Meditation, des Tanzes der Musik. Jedes Bild aus Asien lässt immer noch die Katastrophe aus Japan am visuellen Horizont erscheinen. Aber die Hoffnung stirbt zuletzt und ich freue mich auf eine Ausstellung mit Bilder die einladen zu hoffen.
photographers:network selection 2011
"hope"
25.Juni bis 3.Juli
Studio Thomas Kellner
Siegen, Germany
Ferit Kuyas, Art Galerie Siegen 26.06. – 04.09.2011