1. Portfoliopreis bei photographers:network
Seelenschluchten
Der Fotokünstler Dirk Hanus erhält für seine surrealen Inszenierungen emotionaler Zustände den Portfoliopreis von fotoMAGAZIN bei der photograpehrs:network Jurierung 2009
Die größten Abgründe des Lebens, die bizarrsten Figurationen der Angst im Alltag stecken oft tief in uns in den düstersten Ecken des Ichs, der Schattenzone der Seele. Dirk Hanus macht aus diesen verborgenen Räumen der Psyche Fotografien, füttert damit seine Serie „Inner Spaces“. „Natürlich stecken all diese Geschichten in mir“, erzählt der Chemnitzer. „Ich träume sie nicht, doch wenn ich die Augen schließe, kommen solche Bilder.“ Ein Junge unter dem Gebälk eines alten Dachbodens scheint damit Ritterschild und Schwert bewaffnet auf verborgene Gegner zu warten. Ein mysteriöses „Blutbad“ überrascht an anderer Stelle einen Passanten im Waschraum, der hilflos mit einem Besenstil gegen die rote Flut anzukämpfen scheint. Und eine junge Frau studiert wieder anderswo gedankenversunken ihr nacktes Spiegelbild. Die Akteure dieser verstörenden Inszenierungen bleiben stets alleine mit sich und ihren Seelenzuständen. „Ich erzähle diese Geschichten, ohne dem Betrachter Erklärungen zu liefern“, gesteht der Fotograf. „Jeder soll diese Bilder für sich interpretieren.“ Die Körpersprache der Abgebildeten transportiert hier einen Gefühlszustand. Schon als Jugendlicher wollte Dirk Haus Fotograf werden. Inder DDR bekam er jedoch keinen der begehrten Studienplätze in Leipzig und studierte stattdessen Informationstechnik. Nach der Wende machte er schließlich sein Hobby zum Beruf und wurde Anfang der Neunzigerjahre Werbefotograf. Das nötige technische Rüstzeug hatte er sich über die Jahre selbst angeeignet. Heute arbeitet der Chemnitzer zunehmend neben seinen kommerziellen Auftragsarbeiten auch als Fotokünstler. ,,Das vermeintliche Glück muss ich im Werbealltag einer Agentur ständig fotografieren“, sagt Hanus. „Diese Fotos bleiben natürlich oberflächlich. Meine „Inner Spaces“ sind da viel näher an der Wirklichkeit.“ Seine inszenierten Seelenräume sieht er selbst zwischen den Filmwelten eines David Lynch und den Biedermeier-Idyllen des Malers Carl Spitzweg angesiedelt. Filmzitate von Murnaus „Nosferatu“ bis Stanley Kubricks „Shining“ tauchen mehr oder weniger verdeckt in vielen seiner Motive auf. Eine besondere Intensität bekommen diese Inszenierungen durch ihre raffinierte Ausleuchtung. Hanus bestrahlt die Akteure seiner Langzeitbelichtungen mit einer Taschenlampe und setzt damit ein sehr dramatisches Licht. Dieses Licht trägt entscheidend zur surrealen Anmutung der Serie bei. Dazu gesellt sich die seltsam gestrige Patina der düstren Räume, die Hanus etwa in den Industrieruinen des Ostens findet. Das fertige Motiv vereint meist mehrere Belichtungsvarianten, die digital in absoluter Perfektion zusammen gebracht und auf einer Printgröße von 150 x 100 cm abgezogen werden. Mit seinen inszenierten Variationen des Ichs fiel der Autodidakt in diesem Jahr bei der Jurierung der „photographers:network selection 2009“ auf, wo er den erstmals ausgeschriebenen Portfoliopreis von foto- MAGAZIN zugesprochen bekommen hat. Zusammen mit 25 weiteren ausgewählten Arbeiten des Jahres wurde ein Beitrag von Dirk Hanus bis 5. Juli im Siegener Atelier von Thomas Kellner gezeigt. Darüber hinaus präsentiert die Siegener Art Galerie die Serie „Inner Spaces“ bis 16. August 2009. Manfred Zollner
Das PHOTOGRAPHERS NETWORK des Siegener Fotokünstlers Thomas Kellner wurde als Fotonetzwerk unter Künstlern aufgebaut. Jährlich wählt Kellner zusammen mit einer Fachjury Arbeiten von 26 Bildermachern aus, die er in einer Siegener Ausstellung präsentiert. In diesem Jahr haben sich 105 Fotografen aus 20 Ländern beworben. 2009 wurde erstmals der mit 450 Euro dotierte Portfoliopreis von fotoMAGAZIN an Dirk Hanus vergeben, dessen Bildinszenierungen wir hier zeigen.
Exhibition
just, photographers:network, selection 2009
June 27 – July 5, 2009
studio Thomas Kellner, Siegen, Germany >>>