Karriere von 2002 bis heute
Was ist 2002 passiert, dass du diesen Zeitpunkt als Wende in deiner Karriere bezeichnest?
Das Ende einer Frist und der Anfang von etwas Großartigen
2002 war das Ende einer 5 Jahresfrist, die ich mir selber gegeben hatte und symbolisierte für mich den Eintritt in den amerikanischen Markt, wovon heute nicht mehr so viel übriggeblieben ist. Ich bin aber ganz froh, dass ich heute mit einer ehemaligen Assistentin von Martha Schneider aus Chicago arbeite, die mich in USA vertritt. Aber langsam. Diese Wende oder besser Karrieresprung begann, weil ich unbedingt zu einem Portfolioevent nach Houston fliegen wollte.
Einsturz und Risiko
Das war eine schwierige Zeit kurz nach 9/11. Die Menschen sahen in meinen Bildern die einstürzenden Tower des World Trade Centers in New York und meine Verkäufe in Deutschland und England brachen zusammen. Ein Jahr vorher hatte ich bereits die Gebühr bezahlt, ein halbes Jahr vorher den Flug gebucht und das Hotel reserviert. Vor dem Abflug räumte ich mein Sparbuch ab und zog noch so viel Geld, wie mein Konto hergab. Mein erster Flug nach Amerika. Ich war aufgeregt und nervös.
Portfolio Event in Houston
Angekommen, jetlaged, ging das Portfoliomeeting am nächsten Morgen los. Ich hatte damals keine Ahnung was auf mich zu kam, keine Ahnung, wen ich treffen wollte oder sollte. In einem eher anstrengenden Prozedere stellten sich alle Fotografen in einer Warteschlange auf und holten sich einen Termin nach dem anderen ab. So seltsam das heute klingen mag, so kommunikativ war das. Man lernte wartend viele der Kollegen kennen. 20-Minütigen Termine nahm man dann wahr, um sich und seine Arbeiten vorzustellen. Allerdings konnte ich sehen, wie professionell viele der Fotografen ausgestattet waren und schöne Portfolioboxen, ausgedruckte Vitae du Visitenkarten dabeihatten. Natürlich hatte ich ein paar Bilder und ein Buch dabei, aber ich habe mich in dem Moment etwas unvorbereitet gefühlt da ich meine 10 Bilder zwar im Passepartout aber ohne Box zeigte und ansonsten mein Buch auf den Tisch legte. Ich probierte, mir nichts daraus zu machen und ging zu meinen Terminen. Ich zeigte meine Bilder und lernte viele Galeristen, Kuratoren und Journalisten kennen. Einige traf ich schon am ersten oder zweiten Tag, mit denen ich später gearbeitet habe, z.B. Martha Schneider und Stephen Cohen. Ich war ziemlich nervös und mit Fragen konfrontiert, die ich nicht beantworten konnte. Dabei wurde mir aber nach einigen Terminen klar, dass meine Arbeit gut ankam. Irgendwie war es wie Geburtstag und Weihnachten auf einmal: Jedes Treffen schien ein Hauptgewinn zu sein. Den Gipfel erreichte ich jedoch, als ich beim Tisch von Martha Schneider ankam: Sie wusste anscheinend schon wer ich war und sobald ich ihr meine Arbeiten zeigte, verkündete sie mir, dass ich nicht weiter zu den anderen Terminen zu gehen bräuchte. Ich hätte jetzt alles.
Der Wendepunkt
Das habe ich ihr natürlich nicht direkt abgekauft, und fuhr mit meinen Terminen fort. Am nächsten Tag, als ich wieder in der Schlange für die Termine wartete, lief sie an mir vorbei und versuchte, mich zu überzeugen, mit ihr frühstücken zu gehen. Das ging natürlich nicht, weil sie mit all den anderen Kuratoren in einem Raum saß, (Ich finde diese Teilung in Reviewer und Reviewees bis heute sinnlos, da es um ein Kennenlernen und Netzwerken geht in einem ganz kleinen Kreis von Akteuren) der für uns Fotografen tabu war. Also stellte ich mich weiter in der Schlange an, um meine Termine zu buchen. Mit meiner Liste an Terminen in der Hand wollte ich weiter gehen, als sie wieder auftauchte, mich am Arm packte, und mich in einen Raum zog. Da saßen sie, die wichtigsten Menschen, die das Event zu bieten hatten: Galeristen aus New York, die Chefin von Aperture, dem berühmtesten Magazin für Fotografie auf der Welt, die Kuratorin des MFA und eine Mäzenin. Ich wurde auf einen Stuhl gesetzt und meine Arbeit wurde herumgezeigt, während Martha von mir erzählte.
Die Erfüllung aller Träume
Danach war ich quasi fertig. Als ich nach Hause flog war ich unfassbar glücklich und aufgeregt, dass ich alles hatte, wovon ein Künstler träumt: Galerien in großen amerikanischen Städten wollten mich vertreten und meine Arbeit auszustellen. Ein Artikel über mich würde in Aperture erscheinen. Aufträge, Verkäufe… Martha stand am letzten Tag da und drückte mir einen Scheck in die Hand, um die Reisekosten zu decken, den wir später verrechnen sollten. Ich war selten so glücklich und habe mich nie wieder so sehr vom Leben beschenkt gefühlt. Es folgten 6 Jahre mit unglaublich vielen Reisen, Aufträgen, Ausstellungen und vor allem neuen Kunstwerken.
Der Einsturz durch die Finanzkrise 2008
Das alles wurde jäh durch Finanzkrise 2008 ausgebremst und hat uns voll erwischt. Als die Finanzkrise kam, war das wirklich wie ein Eiserner Vorhang. Er fiel im Frühjahr 2009. Ratsch. Ende. Rien ne va plus - nichts geht mehr. Dancing Walls war gerade angelaufen. Der Katalog hatte sich mit dem Verkauf der Sonderedition innerhalb von 12 Stunden finanziert und wir hatten das erste Mal eine ganze Ausstellung als Diasecs geordert. Die erste Ausstellung lief fantastisch. Wir verkauften gut und orderten nach, was danach durch die halbe Welt touren sollte. Doch obwohl Dancing Walls noch viele Stationen hatte, konnte keine der Galerien in dieser Situation mehr etwas verkaufen. Eiszeit! Seit Anfang 2009 ist der Kunstmarkt arg beschädigt. In der ersten Phase gingen viele Galerien pleite. Gleichzeitig entstanden eine Unzahl an Kunstmessen, Künstler sprangen von Galerie zu Galerie, Fotogalerien waren plötzlich Galerien für Malerei. Es gab eine stürmisch vibrierende Unruhe und aus meiner Perspektive entstand ein eher desaströser Wettbewerb. Aus den jährlichen Berichten zur Situation des Kunstmarktes von der Art Basel und UBS wissen wir, dass das Segment, in dem die meisten Künstler unterwegs sind seitdem schrumpft. Corona hat das nicht besser gemacht.
Wie ging es nach dem Event in Houston dann für dich weiter?
Der Erfolg als Künstler: Ausstellungen, Reisen und Gastprofessuren
Bis zur Bankenkrise lief alles wirklich gut. Das Artinstitut in Chicago kaufte Bilder. Das Museum of Fine Arts in Houston kaufte Bilder. Ich hatte eine Ausstellung nach der anderen in Chicago, New York, Portland, dann in Los Angeles mit Stephen Cohen. Er war Inhaber vieler Fotomessen auf denen er häufig meine Bilder zeigte, zu denen ich flog. Viermal im Jahr nahm ich also in den Staaten an Messen in Los Angeles, New York, Miami oder San Francisco teil. Es kamen viele Reisen dazu. Bis 2006 war wirklich alles sehr cool. Ich verbrachte die Hälfte des Jahres Zuhause, sonst war ich immer unterwegs in anderen Städten, Ländern, Kontinenten. Wir verkauften genügend Bilder, um meine Arbeiten des ganzen Jahres zu finanzieren. Es war anstrengend, es war irre, aber es war großartig, ich hatte unglaublich viel Spaß. Von 2003 bis 2004 erhielt ich zu dem noch den Ruf auf eine einjährige Gastprofessur in Gießen. Davon konnte ich gut leben, und vor allem meine Schulden tilgen.
Der Weg in die Selbstständigkeit
2004 nach der Professur, entschied ich mich für die Selbständigkeit. Arbeit war genügend da und zum Jobben hatte ich gar keine Zeit mehr. Ich bin schon vorher immer vorsichtig mit Kosten und Ausgaben gewesen und hatte all das ziemlich gut im Griff. Trotzdem kann ich heute rückblickend sagen, dass es bereits 2005 langsam kompliziert wurde, weil die analogen Labore ausfielen und ich die Negative scannen musste, was ein echtes Investment ist. Das Risiko wurde immer größer. Ich musste genügend Bilder verkaufen, um die Kosten zu decken und noch einen Gewinn machen zu können. Die Wirtschaftlichkeit auch bei dem Beruf des Künstlers rückte oft in den Focus und machte viele Entscheidungen abhängig von ihrer Finanzierbarkeit.
Selbstbestimmung und Lebensfreude als Künstler
Es gibt viel an der Selbständigkeit, das toll ist. Ein vollkommen freies selbst bestimmendes Leben. Ich kann meine Koffer zu jeder Zeit packen. Ich habe fast alle Kontinente gesehen. Letztes Jahr hätte ich eigentlich Afrika sehen sollen. Wir haben überall auf der Welt tolle Reisen gemacht und fantastische Leute kennengelernt. Das Leben hat nicht nur Krisen bereit, sondern auch immer wieder Überraschungen und ganz schöne freudige Momente. Auch der Ansporn immer wieder etwas Neues zu machen ist schön.
Projekt in Boston und Tango Metropolis
2006 hatte ich eine echte Hochphase, in der ich größere Bilder gemacht habe. Bereits 2003 hatte mich der Direktor vom Boston Athenaeum in London entdeckt und wollte mir ein Stipendium für das 200-jährige Jubiläum der Bibliothek geben. Er gab mir den Auftrag in Boston zu fotografieren. Da musste ich Schön-Wetter-Fotograf mich dann den Innenräumen für die Serie im Boston Athenaeum und Dancing Walls zuwenden, die wir ab 2008/9 in den Galerien ausstellten. Gleichzeitig arbeitete ich an den neuen Weltwundern für die Serie Tango Metropolis, wie die große Mauer und die Golden Gate. Bis zur Finanzkrise 2008, hatte ich hauptsächlich Ausstellungen in Galerien. Danach gingen jene geschätzten Galeristen einer nach dem anderen in Rente und ich bin ihnen bis heute dankbar für diese fulminante Zeit.
Wie hast du diese Krise 2008/9 überstanden?
Rettung aus der Finanzkrise: Projekt Brasilia und Kunstpreis vom Kreis Düren
Ich hatte das Glück, 2005 ein Projekt angefangen zu haben: Brasilia. Das verfolgte ich weiter mit Unterstützung aus Brasilien. 2004 hatte ich beim FotoFest Houston an der Hotelrezeption beim Auschecken Karla Osorio beim Einchecken kennengelernt und war 2005 bereits einmal in Brasilien gewesen. Mit Stützungskäufen der Galerien konnte ich das Projekt fertigstellen. Durch Brasilia war dann plötzlich auch klar, dass die Galerien sich nicht mehr trauten neue Serien auszustellen. Es war gleich nach der Finanzkrise und keiner wollte so ein spezielles Thema anfassen und eine Ausstellung riskieren. Rückblickend hätten wir diese Ausstellung viel mehr bewerben müssen. 2009/2010 bekam ich auch noch einen Kunstpreis vom Kreis Düren und eröffnete gleichzeitig die Ausstellung in Brasilien. Durch diese zwei Projekte konnte ich mich tatsächlich retten.
Unterstützung im Atelier
2009 ging es los, dass ich Anfragen von Studenten bekam, die Praktika bei mir machen wollten. In der Zeit 2003 während der Gastprofessur bis 2008 hatte ich immer jemand mit ein paar Stunden zur Unterstützung im Atelier, was ich 2008 mit der Finanzkrise aufgeben musste. Seitdem habe ich aber fast das ganze Jahr bis zu 15 Praktikanten bei mir und seit 2018 auch wieder jemand festes zur Unterstützung für ein paar Stunden.
Projekt genius loci
2012 bekam ich dann eine tolle Anfrage aus Russland, die mich in das Projekt genius loci führte. Solche Anfragen kommen in unregelmäßigen Abständen und sind wie das Salz in der Suppe. Sie ziehen einen in Bann und spontan in eine andere Richtung. Hier ging es um ein Projekt für das Fotomuseum in Jekaterinburg zum Thema Georg Wilhelm Henning aus Siegen, Stadtgründer von Jekaterinburg und Industriearchitektur.
Enttäuschung beim Portfoliomeeting in Houston 2014
2014 flog ich wieder nach Houston, weil ich das Gefühl hatte neue Kontakte finden zu müssen. Ich nahm das perfekt aufbereitete Projekt zur Industriearchitektur mit und hatte formell und informell die Gelegenheit, 165 Kuratoren und Galeristen meine Arbeit zu zeigen. Ich setze große Hoffnung in diese Reise, versuchte aber keine Erwartungen zu schüren. Trotzdem ging das ziemlich in die Hose. Ich war ich über das Portfoliomeeting sehr enttäuscht. Ich hatte das Gefühl, zu weit in meiner Karriere zu sein. Sie waren hauptsächlich da, um neue Künstler zu entdecken. Der Spaß hatte mich mit der ganzen Nachbereitung und Nachhaken über zwei Jahre nachher 15000 Euro gekostet. So viel kostet ein Mailing mit Katalog an 2000 Adressen und ist effektiver. Würde ich ein solches Meeting heute online wollen? Wohl eher nicht, denn der ganze informelle Teil zum kennenlernen auch der Kollegen und der Spaß daran dann fehlt.
Wie hat sich deine Kunst entwickelt/ wie wird sie sich entwickeln?
Das Markenzeichen Kontaktbögen
Ich habe es geschafft, seit 1997 bis heute bei den Kontaktbögen zu bleiben und immer wieder in kurzen Abständen etwas Neues zu schaffen. Bekannte Beispiele für die Kontaktbögen sind die Monumente, Dancing Walls, Tango Metropolis, Genius Loci, Black & White und Flucticulus. Je länger ich mit den Kontaktbögen arbeite, desto häufiger gibt es Kritik und gleichzeitig sind die Kontaktbögen auch mein Markenzeichen geworden. Manchmal wollten die Leute wissen, wann ich wieder was anderes machen werde. Ich habe mich bis jetzt erfolgreich gegen solche Forderungen gewehrt, Unterschiede der Arbeiten und meines Forschens aufgezeigt und trotzdem auch anderes gemacht. Gott sei Dank bin ich in Siegen geblieben und kann hier in Ruhe meine Arbeit machen. Die Kontaktbögen sind eine langsame Arbeit, da die Motive oft nicht an einem Ort liegen, sondern aus zahlreichen Reisen zusammengetragen werden müssen Ich glaube die provinzielle Ruhe einer solchen mittelgroßen Stadt ist ein Vorteil, den die Bechers oder August Sanders, die beide aus dem Siegerland kamen, auch sehr schätzten.
Ich werde so lange es geht bei den Kontaktbogen bleiben, solange es die Möglichkeit gibt auf Film zu arbeiten. Ich habe noch viele Ideen, was und wie ich Bewegung im Bild in Kontaktbögen untersuchen kann. Ein paar Projekte will ich noch machen. Das ist auch in Ordnung so. Es ist ja mein Markenzeichen geworden.
Angefangene Projekte
So ist zum Beispiel das Projekt mit Monumenten, das ich mir vorgenommen hatte, bis heute nicht fertig. Ich würde es gerne zu Ende bringen, aber dafür muss ich noch viele Reisen durch Europa unternehmen, was zurzeit nicht möglich ist.
Verschiedene Kunstmedien
Durch Flucticulus fing ich an, mich mit anderen Dingen zu beschäftigen. Zu zeichnen zum Beispiel. Zwischendurch habe ich eine Serie in Linolschnitten gemacht und sie erfolgreich verkauft, dazwischen habe ich noch ein Video gemacht und jetzt gerade habe ich die Fachwerkhäuser, die die Bechers vor 50 Jahren fotografierten neu interpretiert.
Bewegung und Veränderung in den Werken
Die Größe meiner Werke hat sich verändert. Ich bin von den kleinen Monumenten am Anfang, mit der Idee, dass ein Film zu einem Bild wird, bis zum Grand Canyon der aus 60 Filmen besteht, gekommen. Ich bin bei den Monumenten von einer kubischen Zerlegung, über ein Vibrieren in Tango Metropolis, zu einem harten Brechen bei G20, zu einem Kontrast von Stagnation und Dynamik in Genius Loci, bis zur Welle in Flucticulus, einfach immer weiter gegangen mit der Überlegung: was kann ich an Bewegung in diesen Kontaktbögen bringen?
Portrait Fotografie
Das, was ich fotografiere, ist manchmal eine Geschichte und manchmal das Vehikel. Menschen habe ich ebenfalls fotografiert, noch fehlen mir aber einige Portraits, um meine Serie über den Menschen zu beenden. Ich habe ein weiteres Projekt mit Menschen im Kopf, ich muss nur noch überlegen wie und wo ich es ohne richtiges Atelier umsetzen kann. Und natürlich muß ich dem nun kleinen Atelier auch eher kleine Bilder machen, die noch in eine Schublade passen.
Welche Rolle spielen äußere Einflüsse auf deine Arbeit?
Loyalität, Zusammenarbeit und neue Möglichkeiten
Die Anforderungen verändern sich ständig. Am Anfang habe ich alles selber gemacht und habe dann als es in die Farbfotografie ging mit einem Siegener Labor zusammengearbeitet. Heute arbeite ich auf vielen Ebenen mit externen Dienstleistern zusammen. Ich bin jemand, der loyal ist. Wenn man anfängt mich zu schröpfen, nehme ich das als Aufforderung, mich umzugucken und mich unter Umständen von der Person eine Zeit lang zu trennen. Die Galeristen, mit denen ich gearbeitet habe, gehen inzwischen einer nach dem anderen in Rente. Wenn man mit 30 in den Markt kommt, dann findet man Menschen, die vielleicht ein bisschen älter sind. Das ist auch gut so. Sie haben schon Erfahrung im Markt, sie haben Kontakte. Heute bin ich Mitte 50 und sie sind im Rentenalter. Da hören sie dann meistens auf. Ich bin seit gut 10 Jahren auch auf der Suche nach jungen Menschen, mit denen ich arbeiten kann. Ein Teil davon sind dann bestimmt meine Praktikanten im Atelier. Neue Kontakte knüpfen ist wichtig, man weiß nie was daraus wird. Oft renkt sich alles irgendwie ein. Manchmal kennt man Leute lange, und auf einmal steht man in viel engeren Kontakt. Man sollte einfach nicht aufgeben. Du klopfst an einer Tür und wenn du ein Nein kriegst, ist das ein Nein an dieser Tür, und du gehst einfach weiter und machst eine andere Tür auf. Wo ist das Problem?
Selbstbestimmtes Time Management
Das Schöne an der Kunst oder an dem Künstlerdasein ist, dass ich das Tempo bestimme. Ich mache die Arbeiten, weil ich sie machen möchte. Ich mache in dem Sinne keine Auftragskunst, außer es ist ein echter Auftrag Das ist der andere Teil, von dem ich ebenfalls lebe.
Neben Künstler bist du auch Kurator
Wann und warum hast du als Kurator angefangen?
Thomas Kellner über seine Tätigkeit als Kurator
Eigentlich versteh ich mich immer nicht als Kurator, sondern als Netzwerker, der Menschen und Bilder zusammenführt. Richtig angefangen habe ich 2004 mit dem Projekt Photographers Network. Da habe ich Ausstellungen im Atelier organisiert. Ich bekam 4 Portfoliodopplseiten von der Profifoto, später auch vom fotoMagazin, die das Projekt begleiteten Das Projekt gefiel hauptsächlich den Amerikanern gut, die mich dreimal als Kurator zu Portfoliomeetings einluden. Viele weitere folgten in Brasilien, Russland, China und auch in Deutschland.
Auswirkungen auf die lokale Kultur Siegens
So lernte ich jedes Jahr viele Künstler kennen. Heute verstehe ich mich nicht nur als Kurator, sondern auch als einer, der kulturelle Strukturen schafft. Ich habe viele Projekte angestoßen wie die Brauhaus Fotografie, den Rundgang, den Kunstsommer in Siegen und den Kunst Tag. Danach entstand Photographers Network. Das gab mir die Möglichkeit, mein Wissen und die Bilder zusammenzuführen.
Erweiterung des eigenen Horizonts durchs Reisen
Wenn du international unterwegs bist, lernst du Künstler aus verschiedenen Kulturen kennen. Du bekommst einen vollkommen neuen Horizont und du lernst auch zeitgeistlich Ideen zu strukturieren. Es macht riesig Spaß, die Möglichkeit zu haben, selber eine Ausstellung aufzubauen und nicht nur der Künstler zu sein, sondern auch der Kurator. So kann ich Kollegen die Möglichkeit geben ausgestellt zu werden und in andere Länder zu reisen. Es ist immer wichtig etwas an die Community in der man sich bewegt zurückzugeben.
Nun befinden wir uns erneut in einer sehr schwierigen Zeit für die Kunst. Wie trifft dich die Pandemie & was nimmt man aus solchen Krisen mit?
Wie bist du mit den Krisen umgegangen?
Reaktion der Regierung in Bezug auf die Kultur in der Corona Krise
Anfang der Corona-Krise habe ich gar nicht damit gerechnet, dass die Kultur so laut sein würde und dass es so gut abgefedert werden würde. Also Chapeau an die Bundesregierung, das Land, die Stadt, den Kreis, usw. Sie haben alles gut gemacht.
Durchlebte Krisen
Ich habe ja nun schon viele Krisen mitgemacht. Dazu gehören persönliche Krisen wie der Selbstmord meines Bruders oder der Verlust meiner Mutter durch drei Schlaganfälle. Sie lebt noch, aber sie ist jetzt in Pflege und wir kümmern uns intensiv um sie. Die erste Krise die mich hart getroffen hat war sicherlich 9/11, als die romantischen Europäer in meinen Bildern nur noch einstürzende Wolkenkratzer sahen und quasi meine Verkäufe von jetzt auf gleich einbrachen. Bis dahin hatte ich in der Londoner Galerie fast jeden Tag oder jeden zweiten Tag ein Bild verkauft. Die Bankenkrise folgte 2008/9 und Fukushima 2011. Die Folgen der aktuellen Krise, in der der Kunstmarkt für die Akteure quasi dicht gemacht wird ist nicht wirklich absehbar.
Folgen der Corona Krise in der Kultur und in den Ausstellungen
Bei Corona erholt sich die Wirtschaft trotzdem scheinbar schneller als erwartet. Klar ist nur schon, dass es eine Kulturförderung wie vor Corona nicht mehr geben wird. Es wird kein Geld mehr dafür da sein. Das heißt, man muss ganz anders und ganz neu über die Kultur nachdenken und andere Modelle entwickeln. Ich bin sehr gespannt welche Verwerfungen es geben wird. Sehen kann man jetzt einen gewissen Ausstellungsstau, der dazu führt, dass man kurzfristig keine Ausstellungsmöglichkeiten finden kann. Also muss man darauf vertrauen, dass irgendetwas von all den ausgefallenen Ausstellungen von Johannesburg über Havanna, Chengdu, Chongqing, Pingyao, Malaga, Cordoba, Sevilla usw. nachgeholt wird.
Auswirkungen der Finanzkrise 2008 bis heute
Die für mich aber bis heute bestimmende Krise ist nach wie vor die Bankenkrise. Sie hat den Markt so nachhaltig verändert, dass es so kaum noch funktionieren kann. Es gibt Untersuchungen zu diesem Markt, von der Art Basel, Artfacts, UBS, die sagen können, dass diese Bankenkrise dazu geführt hat, dass das Segment in dem die meisten Künstler sich bewegen, in den letzten 12 Jahren kontinuierlich geschrumpft ist. Und daran wird nichts gemacht. Die Verbände haben es noch nicht geschafft hinzugucken und die Politik zum Zuhören zu bewegen. Kurzfristig hat man wegen Covid die Kultur auffangen können, aber die notwendigen strukturellen Veränderungen scheint die Politik nicht sehen noch umsetzen wollen.
Einzug in den amerikanischen Markt durch 9/11
9/11 ist für mich als eine Krise die in Deutschland lange gedauert hat, der Weg in die USA gewesen, weil die Amerikaner einfach gesagt haben, dass die Geschichte meinen Bildern eine neue Bedeutung verleihe.
Positive Aussichten trotz allen Herausforderungen
Immerhin haben wir von den Krisen gelernt. Ich habe gelernt zu reagieren, ob mit Drosselung der Ausgaben, Zwischenfinanzierungen, Angeboten, oder neuen Ideen. Ich hoffe einfach, dass diese Krise nicht so schlimm wird wie vermutet. Ich gehe zwar davon aus, dass sie schlimmere Folgen hat als die Finanzkrise, aber ich befinde mich gefühlt schon wieder auf einer Welle mit Sonnenschein.