Der Beruf als Künstler II 2/4: Ideen

Der Arbeitsprozess hin zu einem Produkt

Zunächst stellt sich die Frage, wie produziere ich als Künstler gute Kunstwerke mit Nachfrage? Für mich geht es dabei nicht um den genialen Gedanken oder um einen Aha-Moment, sondern um das Ergebnis eines Arbeitsprozesses. Dieser Prozess startet damit, dass man einen Gedanken hat und man ihn im Verlauf des Prozesses immer weiterentwickelt. Ich fotografiere bei meinen Projekten alleine oder mit einer Assistentin, aber bei einigen aufwendigen Collagen arbeitet auch mal ein ganzes Team mit. Zum Beispiel gab es mal ein Projekt, bei dem 64.000 Schnipsel geschnitten und geklebt werden mussten, dort haben wir mit 4 Leuten gearbeitet. Der Arbeitsprozess besteht sonst bis zum Endprodukt entsteht in einem Team von outgesourcten Mitarbeitern, Scans, Prints, Einrahmern und im Labor entwickelten Filmen. In diesem Prozess werden viele Arbeitsschritte abgeben, da es für mich alleine zu viel Arbeit und zu teuer wäre. Es ist schlicht nicht möglich, in jedem Arbeitsteil ein Meister zu sein, aber dafür gibt es dann die entsprechenden Mitwirkenden. Die Rahmenbedingungen und die Infrastruktur spielen natürlich auch eine Rolle, Lieferanten sind zum Beispiel ein elementarer Bestandteil des Prozesses. Ich denke, dass man im Prozess des Arbeitens bei sich selbst bleiben sollte und nicht auf andere hören sollte, Ratschläge und Tipps sollte man natürlich annehmen aber man sollte sich nicht beirren lassen.

Kellners Motivation und seine Ratschläge an werdende Künstler

Meine Motivation mich mit dem Kubismus oder Dekonstruktivismus zu beschäftigen hat mit dem zerstörten Bild angefangen und damit, sich eine Sache aus verschiedenen Richtungen anzuschauen. Dieses Interesse wurde beeinflusst von persönlichen Brüchen in meinem Leben, an welchen Dinge zerbrechen oder an denen tiefe Einschnitte stattgefunden haben. Ich bin der Ansicht, dass nur Künstler, nicht Fotografen die Fotografie und das Bild bereichern können. Wie vorhin schon angesprochen, denke ich, dass es künstlerisch wichtig ist, sich selbst treu zu bleiben und seine eigenen Erfahrungen und Interessen miteinfließen zu lassen. Ich rate allen jungen Künstlern, ihren eigenen Weg zu gehen, es geht nicht darum in einen zeitgeistigen Mainstream einzutauchen, sondern darum, etwas Eigenes und Neues zu produzieren. Zum Mainstream muss ich allerdings noch anmerken, dass dieser nur zum Teil von Künstlern selbst gestaltet wird, sondern insbesondere von Kuratoren, welche zumeist sehr viel älter sind und somit auch nicht dem aktuellen Zeitgeist entsprechen. Mein künstlerisches Interesse liegt besonders bei parallelen Zeitgeschehen, in meiner Anfangszeit habe ich zunächst mit einer Lochbildkamera gearbeitet, mit welcher es mir möglich war, mehrere Aufnahmen auf ein Negativ zu belichten. Als Künstler braucht man eine gewisse Bereitschaft, Risiko einzugehen, wenn man etwas Neues macht, was man selbst und das Publikum nicht kennt, bei mir sind dieses Neue momentan die Kappellenschulen. Genius loci lief auch nicht so erfolgreich wie gewünscht, aber immerhin schreibt das Projekt schwarze Zahlen. Man braucht generell mehr Aufmerksamkeit für die einzelnen Projekte, sie vergehen beinahe zu schnell. Im Vergleich dazu muss man sich vorstellen, dass die Maler früher ein paar Jahre an einem Bild gearbeitet haben und der Gewinn aus diesem Bild musste dann wieder für die nächsten Jahre reichen. Manche meiner Überlegungen reifen sogar seit 30 Jahren im Skizzenbuch, es gibt für diese Ideen immer wieder neue technische Möglichkeiten und auch neue Vorstellungen meinerseits, deswegen werden die imaginären Pläne auch immer wieder spontan umgeschmissen. Ein Beispiel ist das Projekt g20, es hätte 2020 fertig werden sollen, jedoch kam Corona dazwischen und da dadurch keine Reisen möglich waren, konnte ich auch nichts fotografieren. Das Projekt sollte tatsächlich ursprünglich g8 heißen und 2008 fertig werden, jedoch dauert der Prozess bis heute an. Die Produkte, die heute entstehen, gehören in einen zeitgenössischen Kontext. Deshalb ist die Haltbarkeit gar nicht so relevant, sondern viel eher die Kommunikation darüber, was man dort tut und welchen Gedanken darin stecken.

Kreativer Fluss der Gedanken

Eine Geschichte, wie ich auf meine Ideen komme, fand im Jahr 2015 statt. Ich hatte damals zwei Lehraufträge in Koblenz und Gießen, welche ich auf einen Tag legte. Ich fuhr also morgens nach Koblenz, aß dort Mittag und danach ging es weiter an die Uni in Gießen. Bei so einem Tag muss ich viel Auto fahren und dabei kann einem schnell langweilig werden, was aber auch zu Kreativität führt. Zu der Zeit entwickelte ich das Projekt flucticulus, und bei der Fahrt konnte ich meinen Gedanken freien Lauf lassen und sie einfach frei weiterspinnen. In dieser Situation kann man nicht abgelenkt werden, da alles was man sieht graue Straßen, Leitplanken oder Bäume sind. So kann man sich ständig was Neues überlegen oder manchmal verselbstständigen sich die Gedanken, manchmal überlegt man sich direkt neue Produkte, oft leitet man mit diesen Gedanken auch einen Arbeitsprozess ein. In solchen Situationen im Auto, im Flieger oder im Atelier in Dänemark sind die meisten Ideen für das Projekt flucticulus entstanden. Momentan arbeite ich an einem Projekt, Corona Wellen, aber dieses ist noch in der Entwicklung und wird bestimmt auch noch öfter neu konzipiert und mit neuen Ideen befeuert.

AutorIn

Hannah Stöcking, 07.11.2001, Bottrop

Kunstgeschichte und Literatur, Kultur, Medien

Praktikum: 2021 im Atelier von Thomas Kellner

Besondere Interessen: Kunst, Literatur, Musik, Festivals & Konzerte