Der Beruf als Künstler II 3/4: Arbeiten im Atelier

Die unterschiedlichen Aufgaben und Arbeiten im Atelier

Die Arbeit im Atelier hat tatsächlich sehr wenig mit der klassischen, romantischen Vorstellung von einem Atelier zu tun. Im Atelier werden Filme nach den Reisen in Entwicklung gegeben, Negative werden montiert und auf die passende Länge zusammengeschnitten, zusammengeschoben und verklebt, Index werden sortiert, es wird ausgesucht welche Bilder verwendet werden, das Skizzenbuch wird nachgearbeitet und die Bilder werden eingerahmt, wenn sie aus dem Labor kommen. Projekte, wie das mit den 64.000, Schnipseln bedeuten intensive Arbeit im Atelier über einen längeren Zeitraum hinweg. Ebenfalls findet sehr viel Arbeit am Rechner statt, das kann die Bearbeitung von Bildern in Photoshop, die Beantwortung von E-Mails, die Pflege von Social Media und Programmen wie Cobra, die Erstellung und Pflege von Internetseiten oder das Schreiben von dem neu eingeführten Blog betreffen, um nur einige Beispiele aufzuzählen. Wie man vielleicht schon merkt, hat meine Arbeit im Atelier mit fast allem anderen zu tun, als mit der Produktion von neuen Kunstwerken. Ein Problem in der Kunst ist es, dass es zu viele Künstler und Kunstwerke gibt, deswegen ist es auch schwieriger, eine Nachfrage für seine Kunst zu erschaffen, was es erschwert als Künstler erfolgreich zu sein. Zu der Arbeit im Atelier gehört auch so etwas wie ein Werkverzeichnis anzulegen und zu pflegen, was ziemlich wichtig ist, obwohl dies von vielen Künstlern sehr vernachlässigt wird. Im Unterschied zu mir als Fotokünstler arbeitet ein Maler beinahe durchgehend an seinem Kunstwerk im Atelier und macht dies teils nicht alleine, sondern hat einen Assistenten. Die Arbeitet im Atelier unterscheidet sich also auch je nach dem auf welchen Bereich man sich spezialisiert. Allerdings sind sich viele Künstler darin einig, dass ein Kunstwerk, egal von welcher Art, erst zu einem Kunstwerk wird, wenn es einen Käufer gefunden hat, davor ist es lediglich ein potenzielles Kunstwerk.

Die Entwicklung von Kellners Atelier

Doch kommen wir zurück zu meiner Arbeit im Atelier. In den ersten Jahren meines Ateliers befand sich dort ebenfalls ein Labor, um Bilder selbst zu entwickeln. Doch schnell merkte ich, dass ich selber kaum Zeit hatte, die Abzüge zu machen und dass das ateliereigene Labor für mich und meine Arbeit kaum noch von Nutzen war. Ich hatte einfach zu viel andere Arbeit, wie die Verwaltung, die Beantwortung von E-Mails, die Interviews die ich gab und die Reisen die ich unternahm. Um das Labor wirklich sinnvoll zu nutzen, hätte ich einen Angestellten gebraucht und deshalb wurde das Labor um 2009 und 2010 wieder aufgelöst. Wie ich vorhin schon anmerkte, kann man sowieso kein Meister in allem sein, deswegen war es für mich eigentlich nur hilfreich, das eigene Labor aufzulösen und auf Fachlabore umzusteigen, da diese insbesondere in der Fotografie bessere Abzüge erzeugen können als ich es konnte. Inzwischen habe ich auch seit Jahren einen persönlichen Fotoingenieur, mit welchem ich zusammenarbeite und welcher zu der Qualität meiner Werke beiträgt. In den letzten Jahren war eine besondere Arbeit, die im Atelier stattgefunden hat, die Portraitfotografie. Dort habe ich von verschiedenen Menschen „Stückelportraits“ geschaffen, ähnlich wie meine Mosaikbilder. Das Besondere an diesem Projekt ist, dass die Fotografie selbst im Atelier stattgefunden hat, was sonst natürlich nie der Fall ist. Ich habe noch etliche zu realisierende Ideen im Bereich Portrait für die Arbeit im Atelier, allerdings brauche ich dafür mehr Zeit und vor allem brauche ich viel größere Ausstellungsplanungen für größere Museen und Galerien. Diese Museen und Galerien müssten dann auch noch bereit dazu sein, mit mir als Künstler Neues auszuprobieren wollen und sie müssten mich freistellen für eine gewisse Zeit. Das bedeutet, dass sie mich für die Zeit bezahlen, in der ich intensiv an der Ausstellung arbeite.

Das Beispiel eines Arbeitstages

Um das Arbeiten im Atelier ein wenig zu veranschaulichen, möchte ich einen Beispielarbeitstag beschreiben. Mein Tag beginnt um sechs Uhr morgens, in der Stunde bevor meine Praktikanten kommen habe ich Zeit um in meine E-Mails und Chatnachrichten zu gucken und diese zu beantworten und zu sortieren. Ich schreibe ebenfalls Rechnungen, zum Beispiel die für das Bild, welches beim Kunstverein Aschaffenburg verkauft wurde, welchen wir später am Tag noch besuchen werden. Das Bild entstand in der Stadt Bilbao, der Käufer hatte eine persönliche Beziehung zu dieser Stadt. Für mich ist das Besondere an diesem Bild, dass es dadurch, dass es schwarz weiß und nicht farbig ist, beinahe wie Grafit wirkt und dem Material von Titan erstaunlich nah kommt. Das Bild kostet eigentlich 2000 Euro, aber davon bleiben im Endeffekt nur 1200 über, da ich den Rahmen und das Passepartout verschenkt habe, 400 Euro gehen für die Umsatzsteuer drauf und von den 1600 Euro Netto gehören dem Kunstverein auch nochmal 25 Prozent. Bevor wir uns auf den Weg zum Kunstverein in Aschaffenburg machen, gehe ich im Kopf durch, ob wir alles haben. Wir brauchen das Stativ, die Kameras, die Objektive, den Gimbal und was zu essen, was meine Frau Helga netterweise zubereitet hat.  Nachdem ich das Equipment durchgegangen bin folgt ein kurzer Schlagabtausch mit dem Team, dann geht es los. Auf dem Weg gehe ich mit einer Praktikantin einen Blog Beitrag durch, ich versuche das Auto zu meinem Büro zu machen und die Zeit effektiv zu nutzen, mit Überlegungen die ich mit meinen Praktikantinnen bespreche. Das ist ähnlich wie bei den Reisen, da muss ich auch immer mehrere Tage verreisen und muss aber manchmal nur ein Bild schießen, doch natürlich muss das Wetter dafür stimmen, daher die mehrtägige Reise. In dieser freien Zeit arbeite ich an Ideen, Texten und Internetseiten. Bei der Ankunft in Aschaffenburg wurden zunächst sämtliche Pläne nochmal umgeschmissen, dann haben wir einen Film über die Ausstellung gedreht, ob wir das Material nutzen steht zwar noch in Frage, aber zumindest haben wir die Ausstellung dokumentiert. Ob ein Mehrwert in dem Material steckt wird in der nächsten Zeit diskutiert. Während ich in Aschaffenburg den Großteil der Ausstellung beginne abzubauen, filmen meine Praktikantinnen die Eiffeltürme in intensiven Bildbetrachtungen ab. Der Abbau der Ausstellungen verläuft meistens zügig, schade fand ich es, dass die Geschäftsführerin in Aschaffenburg nicht vor Ort war. Mir ist das Persönliche immer sehr wichtig, dass man zum Beispiel mal jemanden zum Essen einlädt, denn die Kontakte die man durch die Ausstellungen knüpft sind auch die Multiplikatoren für die Zukunft und sorgen auch dann noch für Aufmerksamkeit, beispielsweise durch Presseartikel. Die Vermietung der Wohnung in unserem Haus muss ich auch noch managen, dort gibt es immer wieder Stress, da die neuen Mieter am liebsten jetzt schon ihre Sachen abstellen würden, aber die alten Mieter sind noch nicht mal komplett ausgezogen. Auf dem Rückweg haben wir dann auch nochmal die alte Mieterin besucht, die gerade schwanger ist und ihr noch einen Spiegel vorbeigebracht. Am Wochenende ist auch noch ein Abschiedsessen mit den vorherigen Mietern geplant. Unterwegs kam dann überraschend eine E-Mail vom Magazin der Elbphilharmonie rein, welche mich als Fotograf anfragte. Es ist zwar unsicher ob dieser Job klappt, es gibt auch noch Diskussionsbedarf um die Kosten und die Bezahlung, aber so etwas kann mir sehr gelegen kommen, wenn der Auftraggeber und ich uns einig werden. Ein Beispiel dafür ist im Jahre 1015 geschehen, durch einen FAZ Artikel über die schwarz weiß Ausstellung kam der Chef des Magazins auf mich zu und fragte mich für die Fotografie einer Modestrecke an. Da müssen natürlich auch die Technik, die Scans, das Material und das Studio finanziert werden, doch glücklicherweise wurde man sich da einig, das war eine wirklich interessante und neue Erfahrung. Im Kopf bin ich auf der Rückfahrt zum Atelier die ganze Zeit mit der Anfrage der Elbphilharmonie beschäftigt und überlege, wie ich sie im besten Fall bildnerisch einfangen könnte, da die meisten Bilder vom Wasser aus geschossen worden sind, was für mich nicht in Frage kommt, da das Stativ dort nicht stabil stehen kann. Dann überlege ich, ob ein Bild vom Innenraum nicht auch sehr wirkungsvoll sein könnte, ähnliches hatte ich schon in Argentinien und Mexico vor. Dann stellen sich mir weitere Fragen, wie ich den Schlüssel zur Elbphilharmonie bekomme und in den Innenraum gelange und ob es in eine Serie passt oder nicht. Zuhause angekommen packen wir zunächst die Kameras weg, laden die Akkus, damit diese immer einsatzbereit sind und verstauen die Bilder für die nächsten 14 Tage im Atelier. In zwei Wochen geht dann der Aufbau und Düren wieder los, dann müssen wir auch Kunden besuchen und dann ist es schon wieder abends. An einem anderen Tag hatten ich und meine Praktikanten einen Videodreh bei Ejot und an noch einem anderen Tag hatte ich ein Treffen mit Frau Prof. Dr. Autsch von der Paderborner Uni, dort ging und um das Thema Street Art. Meine Arbeitstage im Atelier sind also trotz aller Verwaltungs- und Social Media Arbeit ziemlich abwechslungsreich und jeden Tag geschieht etwas Neues und Unerwartetes.

AutorIn

Hannah Stöcking, 07.11.2001, Bottrop

Kunstgeschichte und Literatur, Kultur, Medien

Praktikum: 2021 im Atelier von Thomas Kellner

Besondere Interessen: Kunst, Literatur, Musik, Festivals & Konzerte