Andererseits
andererseits
22. Mai 22 - 12. Juni 2016
Kunstverein Nümbrecht, Germany
Beteiligte Künstler: Ingo Schultze-Schnabl, Michael G. Müller, Silke Krah, Bruno Obermann, Thomas Kellner, Günther Hähner, Olaf neopan Schwanke, Stephanie Süßenbach, Helmut Geiss, Kai-Uwe Körner, Kurt Wiesner, Kristian Kosch, Dago Koblenzer, Stella Kown-Mockenhaupt.
"All diese formalen, kompositorischen, erinnernden und visionären Aspekte machen das bisherige Oevre von Thomas Kellner zu einem spannenden und wichtigen Beitrag zur zeitgenössischen Fotografie." Zehnder, Professor Frank Günter, PhD, Farbwelt 135-36, Kreis Düren, 2010, Düren, Seite 46
Andererseits
andererseits – ASK im Dialog lautet der Titel der Ausstellung, mit der die ASK, die Arbeitsgemeinschaft Siegerländer Künstlerinnen und Künstler aktuell im bergischen Nümbrecht unterwegs ist, auf der anderen Seite der Berge sozusagen. Vom 22. Mai bis 12. Juni 2016 stellen 15 Mitglieder aktuelle Arbeiten im Haus der Kunst aus, dem Ausstellungsort des dortigen Kunstvereins. Aus dem Wortspiel einerseits – andererseits entstand eine spannungsvolle und abwechslungsreiche Zusammenschau von Kunstwerken, die meist speziell zum konkreten Thema entstanden sind. Birgit Ludwig-Weber, die 1. Vorsitzende, hatte den langjährigen Kontakt aufgegriffen und die Gruppe zu einer Gemeinschaftsausstellung im Kunstverein Nümbrecht eingeladen.
Mit von der Partie sind Helmut Geis, Günter Hähner, Thomas Kellner, Dago Koblenzer, Kai-Uwe Körner, Kristian Kosch, Stella Kown-Mockenhaupt, Michael G. Müller, Bruno Obermann, Ingo Schultze-Schnabl, Olaf Neopan Schwanke, Stephanie Süßenbach und Kurt Wiesner mit Malerei, Plastik, Fotografie und Mischtechniken in recht unterschiedlichen Formaten.
Der Kunstverein Nümbrecht lädt herzlich ein zur Eröffnung der Ausstellung am Sonntag, dem 22. Mai 2016, um 11:30 Uhr, ins „Haus der Kunst“, Jakob-Engels-Straße 2, (Tel. 02293-6733). Die fachliche Einführung gestaltet die Kunsthistorikerin Kirsten Schwarz, den musikalischen Rahmen stellt Tim Müller mit Gitarre und Loop-Box her. Die Ausstellung endet am Sonntag, dem 12. Juni 2016 und wird als Finissage um 16:00 Uhr durch ein Künstlergespräch mit den TeilnehmerInnen abgerundet.
Die Öffnungszeiten der Ausstellung sind mittwochs bis freitags 16:00 bis 18:00 Uhr, samstags und sonntags 15:00 bis 18:00 Uhr. Der Eintritt zu den Veranstaltungen ist frei.
Dankeschön
Thank you to Arbeitsgemeinschaft Siegerländer Künstler and Kunstverein Nümbrecht for organizing this group exhibition in Nümbrecht.
Black & White in der Ausstellung Andererseits in Nümbrecht
Mit „Black & White“ beruft sich Thomas Kellner auf seine Ursprünge als Künstler und den Ursprung der Fotografie selbst – die Schwarzweißfotografie. Wer Kellners Werke kennt, weiß, dass der Großteil seiner veröffentlichten Fotografien für sein intensives Zusammenspiel von Licht und Farbe bekannt ist. Das war nicht immer so, denn Kellner hat eine schwarz-weiße Vergangenheit.
In einer Zeit, in der sich viele Künstler wieder der Schwarzweißfotografie zuwenden, blickt auch Thomas Kellner zehn Jahre später auf seine Wurzeln zurück. Die bisher wenig veröffentlichten Werke in schwarz-weiß spiegeln die Anfänge in Kellners Karriere wieder, als er 1997 schließlich zu seiner einzigartigen, multiperspektivischen und dekonstruktivistischen Bildsprache fand: das zusammengesetzte Bild entweder als Mehrfachbelichtung auf einem Negativ (1993-1998) oder als sequenzielle Montage auf einem Kontaktbogen des Roll- und 35mm Films.
Aus einem anfänglichem Entwurf über den Eiffelturm als Hommage an Robert Delaunay und den Orphismus in Paris beginnt Kellners Hinwendung zur Architektur und zu immer komplexeren Kompositionen. Es entstehen zeitlose Bilder einer neu formulierten, am Kubismus orientierten Sprache. Bei seinen frühen schwarzweiß Aufnahmen konzentriert sich Kellner auf die Struktur selbst. Das Verhältnis von Gegenstand und Bildform steht im Zentrum der Betrachtung. Fotografien aus San Francisco, New York City oder Chicago, werden erstmals in „Thomas Kellner - Black & White“ der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Kirsten Schwarz M.A. Eröffnungsrede zur AUsstellung andererseits
Der Besuch einer Gruppenausstellung unterscheidet sich wesentlich vom Besuch einer Einzelausstellung. Die Gründe, eine Gruppenausstellung zu besuchen, sind z.B. der Erwerb eines Überblicks über die unterschiedliche Gestaltung eines Themas, über Tendenzen, Techniken und Motive der Künstler. Zusammengehalten nur durch einen gemeinsamen Titel findet man unterschiedliche Herangehensweisen, die offensichtlich, mystisch, einfach oder komplex auf das Thema Bezug nehmen. Eine entscheidende Intention ist für mich die Vorfreude auf den Überraschungsmoment. Man entdeckt neue Werke, die faszinieren, einen Aha-Effekt auslösen, berühren oder zum Lächeln bringen. Insgesamt also, vorausgesetzt man kommt um sich einzulassen, findet man verschiedenste Werke vor, die ein befriedigendes Kunsterlebnis versprechen.
Dies ist auch hier wieder der Fall: 15 Künstler der Arbeitsgemeinschaft Siegerländer Künstler, welche sich als nicht programmatisch orientiert versteht, zeigen neue wie ältere Arbeiten, die sich jedoch stets auf das vorgegebene Thema beziehen lassen. Die Künstler verstehen sich als individuell arbeitend und zugleich zum Dialog mit Kollegen bereit, den sie alle als bereichernd empfinden.
‚andererseits‘ ist das Motiv dieser Ausstellung. Hierbei handelt es sich um einen Teil eines bekannten Ausdrucks des Abwägens: einerseits - andererseits. Wichtig für die Diskussionskultur, für sachliches Argumentieren und zur Aufarbeitung verschiedener Aspekte eines Problems, aber auch, um Gegensätzlichkeiten innerhalb einer Sachlage zu erörtern. Ein Begriff der Reflexion also. Auch die Künstler bedienen sich der verschiedenen Auslegungen des Begriffs, manche implizieren das Pendant, manche betrachten nur die ‚andere Seite‘.
Bruno Obermann etwa zeigt uns in Mischtechnik entstandene, die Bilder dominierende Köpfe im Profil. Mit grobem Pinselstrich unterläuft er die obligatorische Detailgenauigkeit der Porträtmalerei und zeigt doch eigene Physiognomien. Die Reduktion führt nicht zu Beliebigkeit, sonder zur Konzentration. Befindlichkeiten sind oft sein Thema, malerisch schwierig umzusetzende Zustände, die in vielen lasierenden Schichten aufgetragen doch ihren Ausdruck in einer expressiven Manier finden.
Dago Koblenzer ist der einzige ausstellende Bildhauer. Hier wird das Thema anschaulich, im wahrsten Sinne, herausgearbeitet. Die aus einem Hartschaumquader geschnittenen Formen werden innerhalb der Plastik weiterverwendet, an anderer Stelle angebracht wuchern die Formen in den Raum, zugleich erkennen wir ihren Ursprungsort als Leerstelle. einerseits-andereseits wird so interpretiert als Negativ -und Positivform.
Ingo Schultze-Schnabl zeigt uns neue Arbeiten aus einer Traumwelt aus kalt-warm-Kontrasten und schwebenden Formen. Man assoziert sofort eine unbekannte Tier- und Pflanzenwelt, die unter uns vorbeizieht. Wiegendes Seegras, schlanke Fischkörper, Südseefarben. Nichts davon ist greifbar, doch die Ausschnitte auf den Tafeln, ohne Anfang und Ende, lassen uns eine eigene Welt imaginieren.
Thomas Kellner wählte für die Ausstellung s/w-Fotografien aus den Anfängen seines künstlerischen Schaffens. Sein unverwechselbarer Stil war damals bereits ausgereift, doch die Zerlegung und Zerteilung von unbeweglichen Objekten zu tanzenden Formanordnungen wirkt in der monochromen Tonigkeit abstrakter als die späteren Arbeiten in Farbe. Einerseits die Solidität der Bauwerke - andererseits deren völlig unagressiv daherkommende Zerteilung und Neu-Zusammenfügung mit dem Ziel, Leichtigkeit mithilfe einer unkonventionellen Formensprache zu erlangen.
Kristian Kosch reduziert seinen Beitrag auf ein großformatiges Gemälde. Dieses jedoch fasziniert durch die eigenartige Aura, die es ausstrahlt. Ein Mädchen, versunken im Blick auf das gleißend helle Display ihres Smartphones. Dieses stellt die einzige Lichtquelle im Raum dar und beleuchtet das ernst und versunken wirkende Gesicht des Mädchens in eigenartig kaltem Licht von unten. Die Komposition erinnert stark an die chiascura-Malerei des Barock und verleiht der Szene eine dramatische und quasi-religiöse Anmutung. Statt der Qualen der Heiligen oder des Antlitzes Jesu fokussiert das Licht jetzt die Vereinnahmung des Menschen durch die moderne Kommunikationstechnik.
Einer ähnlichen Thematik widmet sich Olaf N. Schwanke in seinen Tuschezeichnungen. Auch ihm geht es um eine kritische Auseinandersetzung mit den neuen Medien. Er möchte jedoch auf den Aspekt der Selbstinszenierung hinweisen, der im Netz eine große Rolle spielt.’ Plapperjungs 1 + 2’ nennt er die Zeichnungen, die er ‚ironisch-erotisch‘ nennt. Zwei Personen jenseits aller gängigen Schönheitsideale, beschädigte, vernachlässigte Körper, die sich für den Auftritt im Netz und den sozialen Medien neu erfinden und inszenieren. Eine bedrohliche Entwicklung, die mit der rasanten technischen Entwicklung immer weniger durchschaubare Manipulationen ermöglicht. Ein neues Ich - zumindest äusserlich - ist möglich, welches in Schwankes Zeichnungen buchstäblich den Blick, wie er es nennt, des Anderen auf die gesamte Persönlichkeit verstellt.
Silke Krah mag das Spiel mit dem Moment der Irritation. Ihre Auseinandersetzung mit überholt wirkenden militärischen Bräuchen und Erscheinungsformen wie Formationen, Paraden und Aufmärschen zieht diese Welt ins Lächerliche. Durch die Bearbeitung vorgefundener Fotografien mit dem einfachen analogen Mittel der Übermalung lässt sie die immer ernst und entschlossen wirkenden Beteiligten harmlos enttarnt erscheinen. Sie interveniert im Detail, doch dies so wirkungsvoll, dass das Bedrohliche des martialischen Auftretens plötzlich grotesk erscheint.
Stella Known-Mockenhaupts Tuschemalerei stellt einen Ruhepol in der Reihe der ausgestellten Werke dar. Grautöne, in ruhigen Schwüngen aufgetragen und viele helle harmonische Flächen, die entstehen, wenn nichts gemalt wurde. Achtsamkeit im Setzen der Flächen ist ein wichtiger Aspekt in der Tuschemalerei, Fehler verzeiht sie nicht. Als Meisterin der Technik weiss die Künstlerin, wo Farbe gesetzt werden muss und wo nicht, um eine Landschaft als Schattenriss oder ferne Ahnung zu imaginieren. Bilder aus Etwas und viel Nichts, das Assoziationen erst ermöglicht.
Kurt Wiesner hat sich ganz der Drucktechnik verschrieben. Sein Experimentieren mit verschiedenen Arten des Hoch-wie Tiefdrucks führt immer wieder zu neuen, abstrakten Gebilden und Formen. In dem Bilderpaar ‚Werden und Vergehen‘ beschäftigte er sich mit der abstrahierten Gestaltung der gegensätzlichen Elemente Feuer und Wasser. Farbassoziationen werden benutzt innerhalb einer geschwungenen Fläche, die jeweils spiegelbildlich gedruckt wurde.
In diese schmiegt sich je eine runde Form, die Luft und Licht symbolisiert. Dynamische Streifen verbinden die Formen und überlagern sie zugleich. Das Spiel mit den Elementen und Gegensätzen des Lebens wird hier mit den Mitteln des Holzschnitts umgesetzt.
Günther Hähner präsentiert hier wohl die farbintensivsten Bilder. Acrylgemälde, deren Titel und Motiv erst im Prozess des Malens entstehen. Er arbeitet auf ein Thema zu. In Schichten aufgetragene Farbflächen ergänzen sich und geben dem Werk eine Richtung. Einteilung und Struktur geben den Bildern Halt. Anschließend erfolgt die Bearbeitung, bei der Flächen aufgeraut oder abgekratzt werden und feine Linienkonstrukte entstehen, die Bereiche des Bildes miteinander verbinden. Der Künstler setzt Spuren und Farbinseln aus starken Kontrasten. Bilder wie ‚Stadtkern‘ sollen in der Betrachtung entziffert werden.
Kai-Uwe Körner setzt einen Farbakzent. Neben seinen kleinformatigen Fotocollagen zieht ein großformatiges Rot den Betrachter an. In der Distanz monochrom wirkend, enthüllt sich die Vielfalt der Abstufungen erst in der Nahsicht. Tupfen, Schichten, Überlagerungen, Verläufe. Man verliert sich in der Betrachtung, das Rot zieht in den Bann. Bewegung entsteht. einerseits monochrom - andererseits komplexes Farbspiel.
Stephanie Süssenbach will uns mit ihren tierischen Porträts den Spiegel vorhalten. Sind es Menschen mit tierischen Zügen oder eher umgekehrt? Die Vermischung und gegenseitige Bedingung identischer Gesichtszüge sind durchaus öfter Thema in Kunst und Literatur. Wieviel des anderen, Animalischen steckt in uns? Die karikaturhafte Umsetzung gerät nicht boshaft, sondern erhellend. Evolution und Anpassung werden hier augenzwinkernd vorgeführt.
Silke Skalski, Fotografin, zeigt die Welt aus einem neuen Blickwinkel. Ihre relativ kleinformatig aufgezogenen Landschaften laden zu genauer Betrachtung ein. Sie hat innerhalb eines Experiments die Fotografie auf den Kopf gestellt. Um ein Panoramabild zu erstellen, schwenkt man die Kamera von links nach rechts entsprechend der Leserichtung. Sie erkennt dabei das vor uns ausgebreitete Motiv und bildet es ab. Was aber passiert, wenn man der Kamera eine neue Perspektive aufdrängt? Von unten nach oben etwa, die Kamera langsam zum Himmel hebend. Was zeigt sie nun? Unter Mühen und dem Erscheinen mysteriöser Dopplungs- und Wischeffekte zwingt die Künstlerin der Kamera einen neuen Blickwinkel auf - und es funktioniert!
Die ganz neuen für die Ausstellung entstandenen Mischtechniken Michael Müllers faszinieren durch die aufwendige und vielschichtige Gestaltung. Mitt Hilfe zahlreicher Fundstücke aus dem fotografischen wie dem stofflich-materiellen Bereich komponiert er seine Werke. Hier zeigen auf Schieferplatten aufgebrachte historische Fotografien und mit Wachs bearbeitete Fragmente einen Blick auf die andere Seite der Gesellschaft, auf Armut und Verfall. Kinderarbeit ist in unseren Breiten Gottseidank verboten. Dies war nicht immer so, wie die Bilder arbeitender Kinder offenbaren, die geisterhaft aus dem dunklen Hintergrund des Schiefers hervortreten. Stoffliche Attribute ihrer Tätigkeiten wurden hinzugefügt und schlagen den Bogen von der Vergangenheit in die konkret fassbare Gegenwart.
Last but not least kommen die lavierten Zeichnungen von Helmut Geis ganz unkonkret daher. Schwimmende Formen, Bewegungsspuren, Liniengeflechte ohne Zentrum entstehen vor unserem Auge. Auf der Suche nach konkreten Formen spielen Auge und Gehirn mit Assoziationen und verlieren sich doch in den verwirrenden, verwobenen Zeichen. Nichts Konkretes hat Helmut Geis beim Zeichnen im Sinn. Sein Interesse beim Hinterlassen grafischer Spuren ist vielmehr ein spirituelles. Während des intensiven Musikhörens lässt er unbewusst die Tuschfeder über das vorbereitete Papier fahren. Eine malerische ecriture automatique wie die Surrealisten das meditativ-unbewusste Schreiben nannten. Realistische wie visionäre Sequenzen entstehen so und werden später vom Künstler paarweise zusammengefasst. Im besten Falle, so beschreibt es Geis, kommt er in einen kreativen Flow, dessen Ergebnis immer neu und überraschend ist.
Ich wünsche Ihnen nun viel Vergnügen beim Betrachten der vielfältigen Arbeiten und lassen sie sich überraschen!