Chancen für die Kultur mit dem Neuen Kommunalen Finanzmangement, NKF
Kultur in Zeiten der Einführung professionellen Betriebsmanagements in der Kommunalen Verwaltung.
Diese Geschichte begann mit der Diskussion in einem städtischen Büro, wo einem Verein Bildender Künstler am Anfang dieses Jahres die zukünftigen Kürzungen der städtischen Leistungen im gemeinsamen Ausstellungsbetrieb präsentiert wurden. Gleichzeitig offenbarte dieses Gespräch fundamentale Änderungen in der kommunalen Sicht kulturellen Engagements, so wie eine Vision für die Kulturarbeit in Deutschland.
In 2007/8 wird in NRW das so genannte NKF, Neues Kommunales Finanzmanagement eingeführt. Eigentlich ändert sich nichts. Die Ausgaben sollten die gleichen bleiben wie vorher, nur werden sie jetzt anders erfasst. Alles wird moderner, transparenter und präziser und natürlich besser. Die kommunale Verwaltung erhält ein modernes Betriebsmanagement. –
Ganz so ist es nicht und es ist doch etwas anders: Der Verwaltungsapparat wird in Zukunft durch das interne Verrechnen von Leistungen etwas aufgeblähter erscheinen, und natürlich werden Bilanzen der Kommunen abrufbar, wie bei einem Wirtschaftsunternehmen. Warum sollte sich die Kultur damit beschäftigen? Die Antwort liegt nahe: In Zukunft werden die Kommunen im Bereich der Kultur, jenen wenig verankerten, so genannten freiwilligen Leistungen gegenüber, genau formulieren können, was die Kultur kostet. Da wird es die Kulturschaffenden in NRW schon bald hart treffen, wenn sie sich nicht rechtzeitig mit den Konsequenzen beschäftigen und den Konter vorbereiten. Denn binnen ein bis zwei Jahren, werden die städtischen Kämmerer uns Kulturschaffenden und Kunstproduzenten genauestens sagen können, was der m² Kultur oder Kunstausstellung in welchem Haus kostet; je Ausstellung, pro Tag oder gar per Stunde. – und zwar: Kostet!
Dabei wäre es doch sehr viel wichtiger, richtiger und entscheidender Kultur als Gewinn einer Kommune zu betrachten. Nur so ist zumindest der Begriff einer Fördermentatilität zu verstehen, wenn man weiterhin Kultur in Sachen Bühne und Bildende Kunst von Freizeitparks unterscheiden möchte.
Kultur gehört, trotz Diskussionen sie mit in das Grundgesetz zu nehmen, immer noch zu den freiwilligen Leistungen und stellt in einer städtischen Verwaltung nur Kosten dar. Das Land NRW hat den Etat für Kultur angehoben, doch warum? Auch in Bildung wird viel investiert. Warum? Geht es um die Zukunft?
Es kann doch nicht angehen, dass wir in einer modernen Gesellschaft, die sich immer marktwirtschaftlicher ausrichtet, die Kultur nur kostenseitig betrachten und Defizite ausweisen, sondern es muss rein logisch, verwaltungstheoretisch und betriebswirtschaftlich darum gehen auch hier einen Zugewinn ausweisen zu können. Es muss darum gehen Kultur und die Zusammenarbeit zwischen Künstlern und Vereinen mit der kommunalen Verwaltung zukunftsfähig zu machen und sich gegenseitig als Partner in der Kulturarbeit zu verstehen. Immerhin arbeiten in Deutschland mehr Menschen im Bereich der Kultur als in der gesamten Automobilindustrie inklusive Zulieferern.
Zurzeit passiert das Gegenteil. Da werden in diesem Jahr munter bisherige Leistungen der städtischen Veranstalter gekürzt, mit dem Argument, die Kassen seien leer und man solle das zukünftig ehrenamtlich tragen. – Moment einmal? War da nicht die Rede von Stärkung des Ehrenamtes? Das war doch nicht gemeint als Fitnessbude, die die Ehrenämtler in Zukunft befähigt noch mehr gesellschaftliche Tätigkeiten und Aufgaben zu stemmen, oder doch?
Die Pointe folgt dann auf dem Fuße: Die bisherige Kosten von Kultur bleiben quasi erhalten, werden aber zukünftig in NKF nicht mehr abgebildet. Wie bitte? Was passiert da? Derzeit werden einst städtisch erbrachte Leistungen gekürzt, in das Ehrenamt geoutsourced und zukünftig nicht mehr erfasst. – Aber es sollte doch besser und transparenter werden! Noch einmal im Klartext: Schenkt jemand der Stadt einen Schrank, eine Kunstsammlung, eben etwas materielles, so werden natürlich Steuern fällig, da es sich um Güter handelt. Der Schrank bekommt also eine Inventarnummer und einen Wert, wird bilanziert. Eine eingebrachte Leistung, wie zum Beispiel die Beaufsichtigung einer Ausstellung, die vorher seitens der Stadt organisiert und bezahlt wurde, wird aber, obwohl wir heute nicht mehr von einer Industrie- sondern Dienstleistungsgesellschaft sprechen, wenn der Künstler nun die Aufsicht selber macht, nicht mehr erfasst. Es geht sogar noch weiter: Bisherige so genannte „kostenlose Überlassungen von Dienstleistungen, Materialien oder Räumlichkeiten, sollen in Zukunft von NKF erfasst werden. Dies wird sicherlich nicht auf der Basis „Null“ erfolgen, sondern intern werden diesen Leistungen oder Nutzungen Werte beigemessen, die freie Kulturträger oder Künstler demnächst dann als Zugewinn geldwerter Leistungen verbuchen müssen. Das bedeutet dann eben folgerichtig, dass die Stadt auf diesem Wege höhere Gewinne erwartet, weniger ausgewiesene Defizite und selbstverständlich höhere Einkommenssteuern. Kunstvereine, die zum Beispiel nicht in eigenen Räumen Ausstellungen betreiben, sondern hierfür von der Kommune Räumlichkeiten überlassen bekommen, habe dann in Zukunft das Problem durch den geldwerten Vorteil der Nutzung von Ausstellungsflächen nicht mehr aus dem Gewinn heraus zu kommen. Bedingung für die Gemeinnützigkeit ist aber keinen Gewinn machen zu wollen. Ein Paradoxon des Systems.
Gleichberechtigtes Management zwischen Partnern ist das nicht. Kultur, die von anderen, nämlich den Künstlern in einen Dienst gestellt wird, ist auch ein Zugewinn! Auf der einen Seite wird auf Bundesebene die Aufnahme von Kultur in das Grundgesetz diskutiert und regional scheint dies System doch eher kontraproduktiv zu wirken.
Auf der gleichen Seite bestätigte das Bundesverwaltungsgericht vor einigen Jahren, dass Künstler mit ihrem Schaffen an der volkswirtschaftlichen Wertschöpfung beteiligt sind und Wertschöpfung als ein höheres Gut anzusehen ist als der betriebswirtschaftliche Gewinn. Wo ist also Kultur anzusiedeln? Nur auf der Kostenseite einer Verwaltung, oder doch in der Wertschöpfungskette?
In NKF laufen wir aber genau dieser Gefahr entgegen, dass nämlich nur noch betriebswirtschaftlich gerechnet wird, jeder Gedanke an die Bedeutung von Kultur und die Notwendigkeit der Förderung ignoriert wird und zudem einer modernen Dienstleistungsgesellschaft nicht Rechnung getragen wird. In einer Volkswirtschaft sollte sich doch, nachdem wir erfolgreich Umwelt an verschiedenen Stellen rechenbar gemacht haben (vom Dosenpfand bis zum Handel mit Emissionspapieren), auch Kunst & Kultur rechnen lassen können. Wenn Umwelt heute als Grundbedingung, als Ressource verstanden wird, sollte Kultur, als einer der Hauptmotoren gesellschaftlicher Entwicklung, ebenso rechenbar sein. Liebe Wissenschaftler in den Disziplinen von Mathematik, Betriebs- und Volkswirtschaft und Kultur, wir brauchen Euch, -jetzt- es wird Zeit!
Kultur ist Wertschöpfung, und gehört in die volkswirtschaftliche Berechnung mit ein. Unternehmen in Deutschland sprechen gerne von den weichen Wirtschaftsfaktoren, die sich ja nicht rechnen oder abbilden lassen, aber doch entscheidend sein können. Wir brauchen Euch, jetzt! Die Zeiten sind gut für die Kultur und jetzt können wir den Kulturgewinn erarbeiten!
Es könnte doch so einfach sein.
In Zukunft muss der Kämmerer einer Stadt eine Bilanz vorlegen. Aus dieser, wenn sie denn gut gemacht ist, kann ich absolut genau mit allen Fakten die Kosten zum Beispiel einer Kunstausstellung von 4 Wochen ablesen. Das wird kommen, absolut sicher. Was haben die Künstler dagegen zu halten? Kultur Gewinn Ermittlung im 21. Jahrhundert: KGE21.
Ihr liefert uns die Zahlen, wir sollten mit Zahlen antworten können. Es ist nämlich tatsächlich sehr einfach: 4 Sachen bringt der Künstler ein:
1. Eingebrachte Arbeitszeit und konkreter materieller Aufwand für die Ausstellung, oder gleiches pauschaliert.
2. Wert der Kunstwerke nach Versicherungs- / oder Verkaufsliste verkettet mit dem Rankingplatz des Künstlers (z.B. artfacts.net)
3. Bildrechte für die Ausstellung nach VG-BildKunst
4. Mediaanalyse von Werbung oder Öffentlichkeitsgewinn in den Medien.
Zieht die Kommune jetzt die Kosten ab, hat sie den Kulturgewinn ermittelt und endlich belegt, dass eine zur Verfügung gestellte Ausstellung nicht nur eine erbrachte Dienstleistung sondern auch Teil der Wertschöpfungskette ist. Und so könnte in kostengünstigen Überlassungen durch Kulturveranstaltungen und Kunstausstellungen gegen gerechnet werden.
An anderen Stellen in der Wirtschaft wird genauso gerechnet. Wundert Euch nicht über die Zahlen, die Euch erwarten, wenn Ihr Originale zeigen wollt und nicht billige Kunstdrucke. Stellt ein Maler Originale in einer Städtischen Galerie oder einem Museum aus, so ist das eine exklusive Präsentation! In der Welt der Verwertung von Bildrechten wird sehr deutlich unterschieden in zum Beispiel „Nutzung nur Deutschland“ oder „weltweit exklusiv“. Ein Gemälde gibt es nur einmal im Original, oder aber als Kunstdruck tausendfach, oder digitales Bild auf einem Flachbildschirm milliardenfach. Für Musik im öffentlichen Raum erhebt die GEMA Gebühren, ähnlich sollte die VG-Bildkunst verfahren, wie es bereits für Abbildungen im Internet geschieht. Auch wenn Gebühren oder Honorare seit Jahren nicht möglich sind, dann sind aber doch die Werte bereits bekannt, oder?
Dies ließe sich noch weiter verfeinern, weiter ausführen und natürlich weitertreiben.
Aus der Anzahl der Ausstellungen und den ausgestellten Künstlern ließe sich ein Ranking für jedes Ausstellungshaus entwickeln und in Zukunft dem Künstler zeigen, ob es sich lohnt hier auszustellen oder nicht. Auf der anderen Seite können Aussteller heute schon im Internet Künstlerrankings nachlesen und so die Qualität ihrer eigenen Arbeit untermauern. Kultur kann nicht nur luxuriöser Genuss sein, sondern muss einen Gewinn darstellen, sonst kann ich den Fördergedanken nicht mehr vertreten. Denn wenn ich etwas fördere oder in etwas investiere, dann muss ich in diesem Staat eine Gewinnerzielungsabsicht haben. Und das kann weder betriebswirtschaftlich noch volkswirtschaftlich als Defizit ausgewiesen werden. Denn es geht ja um den Gewinn! Also Einnahmen minus Ausgaben gleich Gewinn. Bisher spricht man nur von den Kosten, vergisst die Einnahmen, und macht aus dem Gewinn eine Unbekannte mit x hoch unendlich Variablen, ersetzt die Einnahmen danach durch die Anzahl der Besucher und rechtfertigt die Prokopfausgaben mit dem Schönen der Kunst oder der Schönheit dieser mathematischen Formel.
Würden Kulturgewinne für einen Ausstellungsort, eine Stadt vollständig erhoben, so könnten Städte Kulturzahlen in der Argumentation um Standortfaktoren tatsächlich verifizieren, eine Förderung über den Gewinn rechtfertigen, usw.
Eigentlich ist dies nicht so schwer und die Zeiten sind gut für die Kulturschaffenden.
Thomas Kellner im September 2008