Dancing Walls in Chicago
Vergangenen Freitag wurde die Ausstellung "Dancing Walls" von Thomas Kellner in der Schneider Gallery in Chicago eröffnet. Die Ausstellungstournee begann bereits im Januar in der heimischen Art Galerie und führte bisher über Stationen in München, Saarbrücken und Houston.
Zum Saisonstart eröffneten am 5. September alle Galerien in Chicago gleichzeitig. Shuttlebusse fuhren die zahlreichen Besucher zu den verschiedenen Galeriebezirken Chicagos. Martha Schneider gehört zu jenen Galeristen, die den Künstler 2002 bei FotoFest Houston kennenlernte. Sie gehört die bis heute zu seinen bedeutenden Förderern in USA. Besonders freuten sich beide über den Besuch von David Travis, der bis vor wenigen Monaten Kurator am Art Institute of Chicago war. Er hatte mehrere Arbeiten des Fotokünstlers für die Sammlung eines der wichtigsten Museen in USA erworben.
Eine der Arbeiten wurde noch bis vergangenes Wochenende in der Ausstellung "Mind at Play" in direkter Nachbarschaft zur Arbeit von David Hockney gezeigt.
Die Ausstellung Dancing Walls läuft in Chicago noch bis zum 23. Oktober und wird ab Anfang November in der in focus Galerie in Köln zu sehen sein.
Das erste Exponat aus dem Werkkomplex "Dancing Walls" ist die programmatische Arbeit "British Museum, 2005". Die Architektursprache des Projekts "Great Court British Museum" des berühmten britischen Architekten Norman Foster transformiert auf geniale Weise in eine kaleidoskopisch angeordnete Komposition aus sezierten Teilen. Weitere Höhepunkte des Werkkomplexes sind die Serie von strahlend üppigen und goldenen Innenansichten der Genueser Pallazzi aus dem Jahr 2005, die pars pro toto ein Bild der Stadt als Ganzes ergeben. Die Serie "Hearst Tower, 2006", reflektiert nicht nur die Architektursprache dieses Gebäudes von außen. Ein weiteres zentrales Werk, das 2006 entstand, ist die Fotografie "Mexico Munal", die zusätzlich eine Innenansicht des Wahrzeichens der Stadt zeigt. Sie spielt aber auch in ihrem Treppenhausmotiv mit einer traditionellen Metapher.
In "Dancing Walls", wie auch in seiner fortgeführten früheren, ergebnisoffenen Serie "Tango Metropolis", reiht sich der deutsche Fotokünstler mit seiner außerordentlich einzigartigen fotografischen Methode in die Geschichte der Fotografie ein. Sie basiert auf seinen früheren Experimenten mit der Lochkamera. Kellner hält die architektonischen Monumente mit seiner Kamera analog zum natürlichen Vorgang des Sehens fest. Die so entstandenen Serien von Einzelaufnahmen aus einer leicht schrägen Perspektive werden anschließend zu einem neuen Bild zusammengesetzt.
Mit subversiver Ironie erscheinen Thomas Kellners Architekturfotografien weder als die postkartenartigen Bilder ikonischer Monumente, die wir in unseren Köpfen tragen, noch können sie als Bilder gesehen werden, die die perfekte Form dieser Monumente dokumentieren. Seine Bauten erscheinen nicht konsolidiert, sondern vielmehr in mehrere Fragmente zerlegt und zu einer völlig neuen Form rekonstruiert. Die vordergründige Interpretation von Kellners Arbeiten als kubistisch-fragmentarische Montagen ist jedoch zu eng. Vielmehr setzt sich seine Kunst medienreflexiv mit der Geschichte des Genres Fotografie auseinander. Sein Wesen liegt darin, dass seine großformatigen Farbfotografien Kontaktbögen sind, die aus aufeinanderfolgend montierten Filmstreifen einer einzigen Aufnahmesitzung bestehen. Einzelne Arbeiten in "Dancing Walls" bestehen aus bis zu neunhundert Aufnahmen, was fünfundzwanzig Filmrollen entspricht. Dies impliziert, dass der konzeptionelle Prozess weit vor dem eigentlichen Einsatz der Kamera beginnt: Die Fragmentierung des Bildes findet zunächst im Kopf des Künstlers statt. Das Endergebnis lässt den fotografischen Prozess deutlich erkennen, mehr noch, es transzendiert das Medium Fotografie, um grundsätzlich intermedial, in der Dimension des Films, zu argumentieren:
"Das gemeinsame Vokabular des Kontaktbogens, des Zootrops und des Kinofilms ist eine einfache Montage von Bildern, die in der Reihenfolge ihrer Entstehung aneinandergereiht werden, so dass eingefrorene Zeitmomente zur Abgrenzung des Raumes genutzt werden. Wir denken an Edweard Muybridge, dessen ausgeklügelte Verwendung von seriellen Stolperdrähten uns die präzisen Teilbewegungen des stromlinienförmigen Galopps eines Pferdes zeigte, oder an den ruhigen Flügelschlag eines Kolibris, der durch die stroboskopischen Experimente von Harold Edgerton sichtbar wurde. Wir werden daran erinnert, dass mehr und mehr der Zeitungsfotos, die wir konsumieren, Bilder sind, die aus der Kontinuität von Videoaufnahmen herausgeschnitten wurden. Kellners Entwicklung dieser Arbeitsmethode zeigt ein Bewusstsein für die Vergangenheit und Gegenwart seines Mediums. Sie ist selbstreflexiv, wie so vieles in der zeitgenössischen Kunst. Sie ist sogar etwas ironisch in der Wahl des großen Themas." (Alison Nordström, ehemalige Kuratorin für Fotografien, George Eastman House International Museum of Photography and Film, Rochester, New York, aus dem Ausstellungskatalog Thomas Kellner: Dancing Walls)
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