Anne-France, Abillon, Vains, Frankreich
Bei ihr erfährt eine Pflanze oder ein Mineral eine naive Dekonstruktion des Universums, die das Detail als wesentlichen Bestandteil hervorhebt. Wir entdecken das vom Ganzen losgelöste Detail in einer souveränen Autonomie, die die radikale Originalität seiner Form und seine vollkommen kontingente Einschreibung in einen Raum offenbart, in dem es sich frei entfalten kann. Yoland Simon
Poetry of the landscape
Im Philosophieunterricht haben wir dank der Gestalttheorie gelernt, dass das Ganze etwas anderes sein kann als die Summe der Teile, die wir nur in dem formalen Zusammenhang wahrnehmen, in dem sie stehen. Anne-France Abillon lädt uns jedoch ein, an einer radikal anderen Operation teilzunehmen. Bei ihr erfährt eine Pflanze oder ein Mineral eine naive Dekonstruktion des Universums, die das Detail als wesentlichen Bestandteil hervorhebt. Wir entdecken das vom Ganzen losgelöste Detail in einer souveränen Autonomie, die die radikale Originalität seiner Form und seine vollkommen kontingente Einschreibung in einen Raum offenbart, in dem es sich frei entfalten kann. So malen Bäume und ihr Blattwerk, Pflanzen und ihre Blüten, Blätter und ihre intimen Linien die faszinierende Kalligraphie alter Alphabete oder die exquisit komponierten Netze antiker Spitzen. In einer verblüffenden Umkehrung imitiert die Natur nun den Menschen und seine akribischen Werke. Der Künstler komponiert aus dem Realen neu, indem er Motive verwendet, die man als Miniaturen, Illuminationen, Mosaiken, Arabesken, Hieroglyphen oder kabbalistische Zeichen bezeichnen könnte. Das Streben nach Bedeutung ist jedoch nutzlos. Hier hat die Natur aufgehört, der Tempel einer geheimnisvollen und tiefgründigen Einheit zu sein. Im Gegenteil, die Natur ist durch die Vielfalt ihrer Konfigurationen zu lesen. Wir sollen die Konturen der Puzzlestücke überraschen, ohne zu versuchen, sie zusammenzusetzen. Meine Worte werden dem nicht gerecht, was das Auge erfasst, was die Künstlerin in ihren Kompositionen festgehalten hat: die Verflechtungen und Verästelungen der Äste, die reinen Geometrien der feinen Zweige, die von stählernen Adern durchzogenen Blattlamellen, die dünnen Vertikalen der Birken, so geordnet wie Gartenzäune. Aber auch hier gibt es kein Bedürfnis nach Anerkennung. Die Botanik stellt gelehrte Nomenklaturen zusammen; die Botanik verwandelt Fragmente in Anhaltspunkte. Anne-France Abillon hat sich für die Vergrößerung von Fragmenten in einer anonymen Isolation entschieden.