Wenn man sich nackt vor die Kamera eines Fremden stellt, begibt man sich in eine verletzliche Lage. Sich auf diese Weise zu entblößen, löst nicht selten intensive Emotionen lang verdrängter, oft traumatischer Erfahrungen aus. Ich bitte die jungen Frauen auf meinen Bildern - ich mag das Wort "Modelle" nicht -, mir zu zeigen, wie sie sich vor meiner Kamera fühlen. Ich lade sie ein, einen verborgenen Teil von sich zu zeigen, über die glückliche Fassade oder die vorgetäuschte sexuelle Verfügbarkeit hinauszugehen, die man oft in der "Babe-Fotografie" findet.  Seit meinen ersten Sitzungen in den frühen 90er Jahren haben mir mehrere Mädchen berührende Geschichten erzählt, und ich habe mir vorgenommen, ihre Geschichten später in einem Projekt zu verwenden, das über das individuelle Wohlbefinden der Beteiligten hinausgeht. In meinen frühen Büchern habe ich nicht über Schmerz, Respektlosigkeit oder Behinderung geschrieben und die Mädchen mit einer schönen Geschichte zwischen den glücklichen behalten. Aber die Titel 'Die zerbrechliche Berührung' und 'Allegro sensibile' und eine oft introvertierte Bildwahl deuten subtil auf eine zweite Ebene hin. Klara war das erste Mädchen, das über ihre Geschichte 'Instant de mort', einen Moment des Todes, schrieb. Unser Projekt wurde 2007 veröffentlicht, und die Reaktionen waren enorm. Ihre Geschichte zu erzählen, war nicht nur ein großer Schritt für Klara, sondern hat offenbar auch vielen anderen Missbrauchsopfern Mut gemacht. Bei Vorträgen in ganz Europa waren die Menschen sprachlos, als sie ihre Bilder zum ersten Mal sahen. Sowohl Frauen als auch Männer drückten ihre Wertschätzung oft in sehr zarten Worten aus. Sie ermutigten mich auch, diese Art von Arbeit fortzusetzen. Deshalb beschloss ich, einen großen Teil meiner Zeit Sitzungen mit "menschlichem Wert" zu widmen, und nannte es mein Projekt "Stories". Heißt das, dass Sie in meiner Arbeit keine sinnlichen, erotischen Bilder finden werden? Nein. Sie werden solche Bilder finden, aber sie werden - so hoffe ich - nicht gefälscht sein, da die Erotik von den Modellen selbst kommt.  Sie werden eine große Vielfalt an Schauplätzen, Atmosphären und Ausdrucksformen vorfinden. Sie werden einige Geschichten lesen, oft fröhlich und lustig, manchmal aber auch leise und schmerzhaft. So wie das Leben eben ist.

Pascal Baetens, September 2010.

"Ich habe Elvire auf der Wiese vor "meinem" Nusshaus fotografiert. Das Foto ist Teil der Serie "Salve Mater", sinnliche Fantasien, die in der verlassenen psychiatrischen Klinik für Frauen "Salve Mater" fotografiert wurden. Grundlage sind die Geschichten einiger Patientinnen, die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wegen Hysterie (in Wirklichkeit wegen ihrer sexuellen Präferenz: sie waren lesbisch) eingewiesen wurden. Die Bilder skizzieren eine fiktive Geschichte einer jungen Frau, die in die Klinik zurückkehrt und ihre Gefühle wie Sehnsucht, Hoffnung, aber auch Schmerz, Trauer, Wut und Demütigung wieder erlebt."

Pascal Baetens 2006-03

"Das Leben ist so schön, wenn man seinen Träumen folgt".