History, memory and silences
Als meine Mutter beschloss, alle Dias der Familie zu vernichten, hoffte sie, mir eine schwere Last abzunehmen: eine komplizierte und manchmal schmerzhafte Vergangenheit, die heute nur noch sie und ich teilen. Ihre radikale Absicht ließ mich aufhorchen, was ich sonst nie getan hätte.
Ich konnte nur ein paar Dias und ein paar Zettel in einer Schachtel bergen, aber sie reichten aus, um die Geschichte zu erforschen, meine Erinnerung zu überdenken und dem Schweigen zu lauschen, das für mich so beredt wurde...
Geschichte ist der kapriziös vereinbarte, unveränderliche, dokumentierte Teil meiner Vergangenheit. Das Gedächtnis, das sich auf kapriziöse Weise ständig verändert, wurde durch meine Begegnung mit dem Familienarchiv schnell sichtbar: Ich habe meine Familienmitglieder (die bis auf meine Mutter alle verstorben sind) so fotografiert, wie ich sie in Erinnerung habe: nicht durch ihre Gesichter, sondern durch ihren Charakter, ihre Energie, das, was sie mir bedeuten.
Und das Schweigen? Die Geschichten, die nie erzählt wurden, die Gedanken, die nie geteilt wurden, die Fotos, die nie aufgenommen wurden, interessierten mich mehr als der Inhalt der Dias selbst. Aus diesem Grund habe ich die verschlossenen Diapakete, die ich in der wiedergefundenen Kiste fand, ungeöffnet aufbewahrt: Das Unbekannte, das Schweigen hätte einen Ort, an dem es sich niederlassen könnte. Diese Pakete oder losen Zettel mit wenig Informationen würden es mir ermöglichen, mir einen immer wieder anderen verborgenen Teil meiner Geschichte vorzustellen und mein Gedächtnis zu bereichern.
Painted Rituals
Lorena Guillen Vaschetti, 1974 in Argentinien geboren, studierte Architektur und Anthropologie in Buenos Aires. Sie arbeitete als selbständige Architektin in Buenos Aires und New York. Sie erhielt eine Ausbildung in Fotografie in verschiedenen Workshops in Argentinien und am International Center of Photography in New York.
In der Serie "painted rituals" fotografiert sie Aborigines, die um eine nächtlich beleuchtete Feuerstelle tanzen. Was wir sehen, ist nicht die Wahrnehmung oder Interpretation eines Ethnographen, sondern zeitlose Bilder voller Farbe und Energie, kombiniert mit einer Sensibilität, die diese Bilder mit all unseren Sinnen zugänglich macht.
Thomas Kellner, aus dem Katalog "Chapalango" - zeitgenössische Tanzpohotographie